Operative Therapien

Tiefe Hirnstimulation: Hirnschrittmacher gegen neurologische Symptome

Die Tiefe Hirnstimulation ist ein operatives Therapieverfahren, das unter anderem bei Parkinson eingesetzt werden kann. Wie es funktioniert und bei welchen Patienten es infrage kommt.

hirnschrittmacher
© iStock.com/image_jungle

Die Tiefe Hirnstimulation (auch Hirnschrittmacher oder Deep Brain Stimulation/DBS) ist den operativen Therapieverfahren zuzuordnen. Sie kann bei verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern zu einer Linderung der Symptome verhelfen. Dazu gehören vor allem die Parkinson-Krankheit, essenzieller Tremor (Zittern ohne Zusammenhang mit einer Grunderkrankung) und Dystonien (gestörter Spannungszustand von Muskeln und Gefäßen) wie bei der Chorea Huntington. In Ausnahmefällen kann sie auch bei Multipler Sklerose, Depression und bestimmten Formen von Epilepsie als Behandlungsoption infrage kommen.

Im Überblick:

Gehirn: Mythen und überraschende Fakten

Wirkungsweise der Tiefen Hirnstimulation

Bei der Tiefen Hirnstimulation werden über ein kleines Loch im Schädel Elektroden in tiefe Hirnregionen eingesetzt, die dort verbleiben. Die Elektroden werden über einen Impulsgeber gesteuert, der nahe dem Schlüsselbein unter die Haut implantiert wird, ähnlich wie ein Herzschrittmacher. Die von dort gesendeten Impulse beeinflussen die gestörte Hirnregion dauerhaft. Dies verbessert die Symptome wie Tremor und hat den Vorteil, dass durch jederzeit mögliche Regulation die bestmögliche Einstellung für den Patienten erreicht werden kann.

Die Tiefe Hirnstimulation wurde 1983 zum ersten Mal eingesetzt und steht Betroffenen seit einigen Jahren als weitere Behandlungsoption an wenigen Universitätskliniken in Deutschland zur Verfügung. Die Behandlung in der Neurologie wird, sofern sie nötig ist, von den Krankenkassen vollständig übernommen.

Voraussetzung: Medikamente helfen nicht mehr

Grundsätzlich kommt die Tiefe Hirnstimulation für Parkinson-Patienten infrage, bei denen mit medikamentöser Behandlung die Symptome nicht mehr gelindert werden können, oder für Betroffene, die unter sehr starken Nebenwirkungen der Medikamente leiden.

Weiterhin ist die Behandlungsmethode für Betroffene mit starkem Tremor, der den Alltag einschränkt, sehr gut geeignet. Bei Menschen mit Bewegungsstörungen aufgrund einer Dystonie wie bei MS kommt der Hirnschrittmacher nur infrage, wenn mehrere Extremitäten betroffen sind, die Beschwerden nicht aus einer Hirnschädigung resultieren und medikamentös nicht gebessert werden können.

Insgesamt müssen sich die Patienten in einem guten körperlichen und geistigen Allgemeinzustand befinden. Ein Neurologe wird bei einem Aufenthalt in einer Klinik sorgfältige Untersuchungen durchführen, um überhaupt erst eine Operationsempfehlung aussprechen zu können.

Man schätzt, dass in ganz Europa zirka 20 Prozent aller Parkinson-Patienten von der Tiefen Hirnstimulation profitieren könnten, sie aber nur weniger als sieben Prozent der Betroffenen zur Verfügung steht. Durch die unterschiedlichen Regelungen der Kostenübernahmen in den europäischen Ländern, dem mangelnden Austausch unter den Spezialisten und geringen Kenntnisse über nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bei Allgemeinmedizinern wird diese Behandlung vielen Patienten immer noch nicht angeboten.

Tiefe Hirnstimulation bei Depressionen

Seit einigen Jahren wird in klinischen Studien untersucht, wie diese Methode gegen ansonsten therapieresistente, chronische Depressionen wirkt. Teilweise konnten antidepressive Effekte bei 21 bis 75 Prozent der Probanden festgestellt werden. Der positive Effekt nahm mit der Dauer der Anwendung zu.

Die Tiefe Hirnstimulation kann dabei mit medikamentösen und psychotherapeutischen Verfahren kombiniert werden. Allerdings sind bisher zu wenige psychiatrische Patienten mit einem Hirnschrittmacher behandelt worden, um allgemeine Aussagen machen zu können. Der Wirkmechanismus ist noch nicht umfassend bekannt. Vorsicht ist auch wegen eines möglichen erhöhten Suizidrisikos geboten, das bei Patienten mit starker Depression ohnehin erhöht ist.

OP unter neurologischer Kontrolle

Die Risiken bei der Tiefen Hirnstimulation sind gering. Die Operation wird unter neurologischer Kontrolle bei lokaler Betäubung durchgeführt und dauert etwa 20 Minuten. Da der Patient dabei wach ist, können Probleme während der Operation sofort erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Selten kommt es zu Blutungen beim Einführen der Elektroden. Das Risiko eines dauerhaften Schadens liegt jedoch unter drei Prozent.

Nebenwirkungen und Risiken der Tiefen Hirnstimulation

Wird die Elektrode bei der Tiefen Hirnstimulation nicht am korrekten Ort platziert, können Nebenwirkungen auftreten. Die Nebenwirkungen können vorübergehend oder dauerhaft sein. Möglich sind:

  • Sprachstörungen
  • Gefühlsstörungen
  • Verkrampfungen der Muskulatur
  • Doppelbilder
  • psychiatrische Nebenwirkungen wie Apathie, depressive Verstimmung oder submanische Zustände (bei Parkinson-Patienten)

Ein weiteres Risiko besteht wie bei jeder Operation darin, dass es zu einer Infektion kommt. Außerdem besteht die Gefahr von Blutungen im Gehirn, allerdings liegt dieses Risiko mit etwa einem Prozent extrem niedrig.

20 Fakten über Cannabis: Hätten Sie es gewusst?
Meistgeklickt zum Thema
Hysterektomie: Methoden und Folgen der Gebärmutterentfernung
Wann ist der Eingriff nötig?

Wann erfolgt eine Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) und welche Folgen hat sie? Erfahren Sie hier mehr! → Weiterlesen

Psychotherapie: Welche Therapieformen gibt es?
Therapien

Qual der Wahl: In der Psychotherapie gibt es verschiedene Therapieformen. Wie unterscheiden sie sich? → Weiterlesen

Lymphdrainage: Verordnung, Nebenwirkungen und Kosten
Bei Lipödem und Lymphödemen

Die manuelle Lymphdrainage ist eine Behandlungsform, die bei Lymphstauungen angewendet wird → Weiterlesen

Haben Sie eine Frage?

Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!

Beratender Experte
Frau Dr. med. Sabine Schulz

Artikel zum Thema
Experten-Foren

Mit Medizinern und anderen Experten online diskutieren.

Forum wählen
Stichwortsuche in den Fragen und Antworten unserer Community

Durchstöbern Sie anhand der für Sie interessanten Begriffe die Beiträge und Foren in der Lifeline-Community.

Ausführliche Informationen
  • DiagnoseDiagnose

    Wir erklären Ihnen medizinische Untersuchungen einfach und verständlich. Damit Sie Bescheid wissen, was der Doktor mit Ihnen vorhat. → Weiterlesen

  • Laborbefund verstehenLaborwerte

    Verstehen Sie die Abkürzungen und Fachausdrücke Ihrer Laborergebnisse nicht? Einen roten Faden durchs Fachchinesich bietet das Laborwerte A bis Z. → Weiterlesen

Newsletter-Leser wissen mehr über Gesundheit

Aktuelle Themen rund um Ihre Gesundheit kostenlos per Mail.

Abonnieren
Expertenrat Allgemeinmedizin

Die Lifeline-Experten beantworten Ihre Fragen fundiert und kompetent!

mehr...

Zum Seitenanfang

afgis-Qualitätslogo mit Ablauf 2024/05: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FUNKE Digital GmbH und sein/ihr Internet-Angebot: https://www.lifeline.de/

Unser Angebot erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt

Sie haben Lifeline zum Top-Gesundheitsportal gewählt. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.