Leitsymptome, Potenzen, Dosierung: Wie funktionieren homöopathische Arzneimittel?
Die Homöopathie gilt als sanfte Alternative oder begleitende Therapie zur Schulmedizin, soll aber sogar bei schweren Krankheiten Wirkung zeigen und gleichzeitig keine Nebenwirkungen haben. Homöopathische Mittel können damit nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Säuglingen, ja sogar Hunden und anderen Haustieren eingesetzt werden.
- © iStock.com/D-Keine
Hier finden Sie die wichtigsten Grundlagen zur Homöopathie und zu homöopathischen Mitteln:
- Das Prinzip der Ähnlichkeit
- Was sind Leitsymptome in der Homöopathie?
- Was sind Potenzen?
- Wirkt Homöopathie wirklich?
- Dosierung von homöopathischen Mitteln
- Was ist die Erstverschlimmerung?
Die Homöopathie basiert auf Hunderten natürlicher Grundstoffe: Manche sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft, bei anderen handelt es sich um Säuren, Mineralien oder Metalle. Die Substanzen, die in ihrer Reinform teilweise hochgiftig sind, werden derart verdünnt – oder besser: potenziert –, dass sie ihre toxische und unter Umständen allergieauslösende Wirkung verlieren. Die Heilwirkung der homöopathischen Mittel wird dadurch jedoch nicht zerstört – im Gegenteil, so die Überzeugung der vielen Befürworter der Homöopathie. Die Potenzierung verstärke vielmehr die Fähigkeit der Arznei, Beschwerden zu lindern.
Das Grundprinzip der Homöopathie
Die Homöopathie wurde 1796 von Dr. Samuel Hahnemann begründet und bildet bis heute einen bedeutenden Teil der Alternativen Medizin. Schüßler-Salze und die Therapie mit Bachblüten gehören zwar nicht zur Homöopathie, sind aber mit ihr verwandt.
Die Homöopathie basiert auf dem Prinzip der Ähnlichkeit. Es besagt, dass ein Medikament, das bei einem Gesunden bestimmte Symptome erzeugt, bei einem Menschen, der von diesen Symptomen befallen ist, zu einer Heilung führt.
Der homöopathische Therapeut bemüht sich daher, ein Arzneimittel zu finden, dessen charakteristische Wirkung dem kranken Zustand des Patienten möglichst stark ähnelt.
Hierzu muss er das Krankheitsbild möglichst genau erfassen. Ein Erstgespräch kann eine bis mehrere Stunden dauern – ein großer Unterschied zum klassischen Arztbesuch. Der Homöopath hört bei der Sitzung vor allem zu, der Patient erzählt. Die Hauptbeschwerden des Kranken (Leitsymptome) führen zu demjenigen Mittel, mit dem die Symptome behoben werden können.
Was bezeichnen Homöopathen als Leitsymptome?
Die Beschwerden, die den Patienten am meisten belasten, leiten ihn oder seinen Behandler zu dem homöopathischen Mittel, das genau diese Symptome bei einem Gesunden hervorrufen würde (Prinzip der Ähnlichkeit). Die Hauptbeschwerden, die gleichzeitig die charakteristischen Merkmale des Mittels sind, werden in der Homöopathie Leitsymptome genannt. Je mehr Krankheitszeichen des Patienten sich mit den Leitsymptomen einer Arznei decken, desto wahrscheinlicher ist es, dass genau dieses Mittel die Beschwerden des Kranken lindern kann.
Woher die Krankheitszeichen genau kommen, also deren pathologische Ursache, spielt in der Homöopathie eine untergeordnete Rolle. Laut Eugene B. Nash (1838 - 1917), einem von Amerikas führenden Homöopathen des vergangenen Jahrhunderts, werden Arzneien anhand der Symptome verschrieben, "ohne eine Erklärung für diese zu suchen oder zu geben." Aus den Leitsymptomen erschließen sich auch die Anwendungsgebiete des Arzneimittels. Beim Leitsymptom Übelkeit können die Anwendungsgebiete beispielsweise Schwangerschaftsübelkeit, aber auch Nebenwirkungen der Chemotherapie bei Krebs sein.
D6, C6, D12 und Co.: Was sind homöopathische Potenzen?
Wichtigster Wirkfaktor in der Homöopathie sind die Potenzen. Diese geben die Verdünnung des Wirkstoffs im Arzneimittel an. Für den Laien paradox: Je höher die Potenz, also je weniger Wirkstoff tatsächlich im Mittel enthalten ist, desto stärker und länger ist die Wirkung des homöopathischen Präparats. Meist steigt mit zunehmender Potenz auch der Preis der Arznei.
Das liegt daran, dass ein homöopathisches Medikament nicht einfach nur verdünnt, sondern in einem mehrstufigen Verfahren potenziert wird.
Die Ausgangssubstanz oder Urtinktur wird mit einem Auszugsmittel (meist Alkohol oder Wasser) verdünnt. Bei den D-Potenzen (Dezimalpotenzen) im Verhältnis 1:10, bei den C-Potenzen (Centesimalpotenzen) im Verhältnis 1:100. Ein Teil des Arzneigrundstoffes wird demnach mit 9 Teilen beziehungsweise 99 Teilen des Auszugsmittels vermischt.
Danach wird das Mittel durch rhythmisches Klopfen auf eine Unterlage dynamisiert. Man erhält dadurch die Potenzen D1 beziehungsweise C1.
Für die gängigen Potenzen D6 und C6 (oder auch D12 und C12) wiederholt man den Vorgang insgesamt sechsmal (oder zwölfmal). Die Arzneilösung, die man dann erhält, wird in den meisten Fällen auf Zuckerkügelchen aufgebracht, die sogenannten Globuli (von lateinisch globulus = Kugel).
Für die Wirksamkeit ist die Zahl der Potenzierungsschritte ausschlaggebend. D6 ist in der Effektivität vergleichbar mit C6. Stärker wirken dagegen D12 beziehungsweise C12-Potenzen. D6/C6 und D12/C12 sind für die Selbstmedikation und bei akuten Beschwerden geeignet. Sogenannte Hochpotenzen wie D30/C30, D200/C200 und die speziell hergestellten LM- und Q-Potenzen sollten von erfahrenen Therapeuten verschrieben werden. Sie werden vor allem bei langwierigen Erkrankungen eingesetzt. Während D30 und C30 etwa zwei bis drei Tage lang wirken, kann die Wirkungsdauer von D200 und C200 bei vier Wochen liegen.
Wirkt Homöopathie tatsächlich?
Die Homöopathie soll die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren und das nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Säuglingen sowie bei Hunden, Katzen und anderen Haustieren. Die Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel lässt sich bislang allerdings nicht mit kontrolliert-randomisierten Studien belegen. Die Inhaltsstoffe sind so stark verdünnt, dass sie aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht für die Besserung von Symptomen infrage kommen. Eine "Energie" oder ein "Geist" in homöopathischen Mitteln lässt sich ebenfalls nicht nachweisen.
Trotzdem sind viele Menschen von der Wirksamkeit der Globuli überzeugt. Es gibt unzählige Patienten, deren Beschwerden sich durch Homöopathie bessern – und das nicht nur bei harmlosen Erkrankungen wie Erkältungen, sondern bisweilen auch bei Suchtproblemen, Neurodermitis, Asthma oder anderen schweren Krankheiten. Oft werden Globuli auch in Verbindung mit schulmedizinischer Behandlung angewendet, zum Beispiel um Nebenwirkungen der konventionellen Medikamente zu lindern. Gleichzeitig heben Befürworter hervor, dass homöopathische Mittel selbst keine Nebenwirkungen haben.
Auch die Aufmerksamkeit, Zeit und Empathie, die der Homöopath – leider oft im Gegensatz zum Schulmediziner – dem Patienten widmet, könnten für Heilerfolge verantwortlich sein. Worin auch immer die Wirkung der kleinen weißen Kügelchen liegt: In jedem Fall sollte man bei Gefahr in Verzug auf die Schulmedizin zurückgreifen. Eine notwendige konventionell-medizinische Behandlung darf dann in keinem Fall versäumt werden.
Darreichungsform und Dosierung von homöopathischen Mitteln
Homöopathische Arzneimittel werden meist in Form von Globuli verabreicht. Es gibt aber auch Tabletten und alkoholhaltige Tropfen. Für die Selbstmedikation, also für D6/C6 beziehungsweise D12/C12, wird in der Regel folgende Dosierung empfohlen:
Erwachsene: dreimal täglich fünf Globuli
Kleinkinder: dreimal täglich drei Globuli
Säuglinge: dreimal täglich einen Globulus
Sind die Beschwerden gelindert, reduziert man die Dosis auf ein- bis zweimal täglich, beziehungsweise von zweimal täglich auf einmal täglich.
Wenn das Mittel dagegen nach spätestens zwei Tagen keine Wirkung zeigt, sollte man die Leitsymptome nochmals überprüfen.
Was ist die Erstverschlimmerung in der Homöopathie?
Manchmal kommt es zur sogenannten Erstverschlimmerung. Dann verschlechtern sich die Symptome nach Beginn der Einnahme.
Der Allgemeinmediziner und Homöopath Markus Wiesenauer empfiehlt dann folgendes Vorgehen:
Bei akuten Beschwerden sollte die Arznei für einen halben Tag abgesetzt und danach halb so häufig weitergenommen werden.
Bei chronischen Beschwerden sollte man die Behandlung für einen bis zwei Tage aussetzen und danach halb so häufig wie vorher durchführen.
Sobald die Symptome verschwunden sind, sollte das Mittel abgesetzt werden. Auch ist es empfehlenswert, sich auf die dringlichsten Beschwerden zu konzentrieren, anstatt mehrere homöopathische Arzneien nebeneinander einzunehmen. Dessen ungeachtet eignen sich Globuli gut, um die Behandlung mit konventionellen, schulmedizinischen Medikamenten zu begleiten, zum Beispiel um deren Nebenwirkungen zu bekämpfen.
Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!