Bei akutem Lungenversagen

ECMO: Überlebenschance dank künstlicher Lunge

Bei der extrakorporalen Membranoxygenierung, kurz ECMO, handelt es sich um ein Verfahren, das vor allem bei Betroffenen mit schwerem Lungenversagen (unter anderem bei COVID-19) eingesetzt wird. Eine Maschine übernimmt vorübergehend die Funktion der Lunge und versorgt den Körper mit Sauerstoff. Wie die ECMO funktioniert und welche Chancen und Risiken sie birgt, lesen Sie hier.

ecmo
© Getty Images/Jackyenjoyphotography

Im Zuge der COVID-19-Pandemie haben sich immer mehr Krankenhäuser mit ECMO-Systemen ausgestattet. In Deutschland stehen laut DIVI-Intensivregister (Stand: 05.10.2021) derzeit rund 800 ECMO-Plätze zur Verfügung. Zudem werden vereinzelt auch mobile Geräte im Rettungsdienst verwendet.

Der Kostenaufwand der intensivmedizinischen Technik ist sehr hoch und die Handhabung erfordert eine spezielle Ausbildung der Fachkräfte. Der maschinelle Lungenersatz ist bei schweren Verläufen oft die letzte Option und im besten Fall ein Lebensretter.

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Wie funktioniert eine ECMO?

ECMO steht für die Abkürzung des englischen Begriffs "extracorporeal membrane oxygenation" (übersetzt: extrakorporale Membranoxygenierung), also eine Sauerstoffversorgung des Blutes außerhalb des Körpers.

Entscheiden sich Intensivmediziner*innen für eine ECMO, werden zwei Kanülen in die Venen (häufig Leistenvenen) eingeführt. Über ein Schlauchsystem wird das sauerstoffarme Blut zunächst aus dem Körper heraus- und in eine Maschine (Membran-Oxygenator) hineingeleitet. Dieses kompakte Gerät befreit das Blut von Kohlendioxid und reichert es mit Sauerstoff an. Anschließend gelangt das "frische" Blut in den Körper zurück. So ahmt das Gerät die natürliche Tätigkeit der Lunge nach.

Zu den weiteren Komponenten der ECMO gehört in der Regel eine Heizung, die den betroffenen Menschen vor dem Auskühlen schützt. Manche Geräte übernehmen zusätzlich die Herzleistung teilweise oder komplett. Auch die Integration eines Dialysesystems ist möglich. Der*Die Erkrankte wird während der Anwendung meist ins künstliche Koma versetzt. Bei neueren Verfahren der ECMO können die Menschen bei Bewusstsein bleiben und sprechen, essen sowie trinken (Wach-ECMO).

Wann kommt eine ECMO zum Einsatz?

Die extrakorporale Membranoxygenierung wird bei Menschen angewendet, deren Lungen oder Herz so schwer geschädigt sind, dass die Sauerstoffversorgung des Körpers nicht mehr ausreicht.

Folgende Erkrankungen können eine ECMO-Therapie erforderlich machen:

  • akutes Lungenversagen, fachsprachlich auch "Acute Respiratory Distress Syndrome" (ARDS) genannt, zum Beispiel infolge einer Lungenentzündung bei schwerem COVID-19-Verlauf oder traumatischen Schädigung der Lunge
  • angeborene Fehlbildungen der Lunge oder Herzfehler (vor allem bei Neugeborenen)
  • schwere Herzinsuffizienz oder Herzstillstand
  • Organversagen nach schwerem Schockzustand

Es gibt verschiedene ECMO-Varianten. Wird das Verfahren ausschließlich zur Unterstützung der Lunge verwendet, kommt die sogenannte veno-venöse ECMO zum Einsatz, sind sowohl Herz als auch Lunge geschädigt, wird die veno-arterielle ECMO angewendet.

ECMO: Letzte Chance bei schwerer Corona-Infektion

Im Zuge der exponentiellen Ausbreitung der COVID-19-Infektionen hat sich die ECMO-Therapie als wichtige Option für Betroffene mit schweren Krankheitsverläufen entwickelt, die zum Einsatz kommt, wenn konservative Beatmungstherapien (inklusive Bauchlage) ausgeschöpft sind. Aufgrund des hochinfektiösen Krankheitsbildes von COVID-19 und der Knappheit von Ressourcen (Equipment und Personal) müssen die behandelnden Ärzt*innen die Entscheidung für eine solche Therapie jedoch gut abwägen. Zudem sind Kontraindikationen (Gegenanzeigen) wie ein hohes Alter oder Grunderkrankungen zu berücksichtigen.

Einen wichtigen Beitrag zur ECMO-Forschung hat die französische EOLIA-Studie aus dem Jahr 2018 geschaffen, der zufolge 65 Prozent aller ECMO-Patient*innen bei akutem Lungenversagen überleben. Bei COVID-19-Patient*innen fiel die Überlebensrate jedoch geringer aus, da es häufiger zu Komplikationen wie

  • Hirnblutungen,
  • beatmungsassoziierten Lungenentzündungen oder
  • Lungenembolien

kam. Diese Komplikationen scheinen aber nicht in direktem Zusammenhang mit der ECMO, sondern mit der Coronainfektion zu stehen.

Bei COVID-19-Patient*innen lag die 90-Tage-Sterberate im Krankenhaus bis Mai 2020 bei 36, 9 Prozent, danach bei 51, 9 Prozent. Dieser Anstieg ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass sich die Qualität der ECMO-Therapie verschlechtert hat, sondern dass vermehrt Patient*innen mit erhöhtem Risiko (zum Beispiel Diabetiker*innen) behandelt wurden.

Durch eine gezieltere Auswahl der Patient*innen erwarten Expert*innen eine deutliche Verbesserung der ECMO-Behandlung. Neue Erkenntnisse weisen zum Beispiel darauf hin, dass vor allem Jüngere von der Behandlung profitieren. Auch eine frühzeitige Entscheidung für den Einsatz der ECMO soll die Sterberate deutlich senken können.

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Welche Vorteile bietet die ECMO-Beatmung?

Kann ein Mensch nicht mehr eigenständig atmen, ist eine künstliche Beatmung notwendig. Im Gegensatz zu herkömmlichen Beatmungsgeräten, bei denen Sauerstoff mit Überdruck in die Lunge gepresst wird, erfolgt der Gasaustausch bei der ECMO-Therapie "extrakorporal", also außerhalb des Körpers. Dies ist deutlich schonender für die Lunge, die dadurch entlastet wird und die Möglichkeit hat, sich zu erholen.

Welche Risiken sind mit der ECMO verbunden?

Die Anwendungssicherheit und technische Zuverlässigkeit von ECMO-Geräten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Da jedoch mit sehr komplexem technischem Equipment gearbeitet wird, bleiben Risiken, die für Betroffene eine große Gefahr darstellen. Zu den möglichen Komplikationen zählen unter anderem:

  • technische Defekte des Oxygenators
  • Aussetzen der Pumpe
  • Defekt bei den Steuerungseinheiten

Eine weitere Risikoquelle stellen die Kanülen dar: Zum einen sind diese potenzielle Eintrittspforten für Viren und Bakterien. Zum anderen kann es beim Anlegen oder Entfernen der Nadeln zu Blutungen oder Gefäßverletzungen kommen.

Blut, dass sich außerhalb des Körpers befindet, hat darüber hinaus die Tendenz zu gerinnen, weshalb das Pflegepersonal dem*der Betroffenen gerinnungshemmende Mittel verabreicht. Hierbei ist eine sorgfältige Dosierung wichtig, damit einerseits keine Blutungen auftreten und sich andererseits keine Blutgerinnsel (Thrombosen) bilden. Wandert ein Blutpfropfen in Lunge, Herz oder Gehirn und verstopft den Blutstrom, kann dies schwerwiegende Folgen (beispielsweise einen Schlaganfall) nach sich ziehen.

Kontraindikationen: Für wen kommt die ECMO-Therapie nicht infrage?

Betroffene auf Intensivstationen, bei denen über eine ECMO nachgedacht wird, befinden sich meist in einem lebensbedrohlichen Gesundheitszustand. Kontraindikationen sind daher stets als relativ zu bewerten. Dennoch müssen die behandelnden Intensivmediziner*innen Nutzen und Risiken der Therapie im Einzelfall gut abwägen. Gegen den Einsatz einer ECMO sprechen beispielsweise:

  • schwere oder irreversible neurologische Schädigungen
  • eine sehr geringe Lebenserwartung (etwa aufgrund einer Tumorerkrankung)
  • sehr hohes Lebensalter
  • Multiorganversagen
  • fortgeschrittene Leberzirrhose
  • chronische Herz- oder Niereninsuffizienz im Endstadium
  • Hirnblutungen

Zudem muss berücksichtigt werden, dass das Lungenersatzverfahren zwar Zeit verschafft, die gegebenenfalls für die Regeneration des Atmungsorgans benötigt wird. Die Ursache der Erkrankung selbst kann die ECMO aber nicht heilen.

Dauer & Nachsorge: Entwöhnung von der ECMO

Die Dauer einer ECMO-Beatmung hängt davon ab, wie schnell sich die Herz- beziehungsweise Lungenfunktion des betroffenen Menschen erholt. Normalerweise wird die Therapie ein bis vier Wochen (in Einzelfällen auch mehrere Monate) angewendet.

Die Entwöhnung von der ECMO erfolgt Schritt für Schritt. Meist wird erst ein Wechsel aus kontrollierter Beatmung und Phasen der Spontanatmung (ohne Beatmungsgerät) angestrebt. Des Weiteren müssen oftmals Begleiterkrankungen behandelt werden.

Nach Ende der ECMO-Therapie benötigen Betroffene in der Regel eine intensive Physiotherapie, Mobilisation und Atemtherapie. Hierfür wird ein längerer Aufenthalt in spezialisierten Rehabilitationszentren empfohlen.

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