Harnverhalt: Ursachen, Symptome und Behandlung
Bei einem Harnverhalt kann der Urin nur noch unvollständig oder gar nicht mehr aus der Blase entleert werden. Tritt dieses Unvermögen plötzlich und mit starken Schmerzen auf, handelt es sich um einen urologischen Notfall. Welche Ursachen hat ein Harnverhalt und was lässt sich dagegen tun?
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Kurzübersicht: Harnverhalt
Definition: Ist eine Entleerung der Harnblase gar nicht mehr oder nur unvollständig möglich, sprechen Fachleute von einem Harnverhalt oder Ischurie.
Ursachen: Für einen Harnverhalt kann es verschiedene Auslöser geben – von einer Infektion über eine Gebärmuttersenkung bis zur Einnahme bestimmter Medikamente. Bei Männern steckt oft eine vergrößerte Prostata dahinter.
Symptome: Ein akuter Harnverhalt verursacht starke Schmerzen und muss sofort behandelt werden. Ein chronischer Harnverhalt äußert sich oft durch unkontrolliertes Urinträufeln.
Diagnose: Bauch und Prostata werden abgetastet, Blut und Urin untersucht sowie eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Gegebenenfalls folgen weitere bildgebende Verfahren sowie eine Blasenspiegelung.
Behandlung: Bei einem akuten Harnverhalt wird der Urin über einen Blasenkatheter abgelassen. Die weitere Behandlung hängt von der Ursache für die Ischurie ab. Unbehandelt drohen schwerwiegende Komplikationen, etwa ein Harnstau in den Harnwegen.
Im Überblick:
Was ist Harnverhalt?
Fachleute sprechen von einem Harnverhalt (Ischurie oder Harnretention), wenn die Betroffenen trotz voller Harnblase nicht oder nur unvollständig dazu in der Lage sind, diese spontan zu entleeren. Dabei unterscheiden sie zwischen der akuten und der chronischen Form des Harnverhalts:
Ein akuter Harnverhalt tritt plötzlich auf und geht aufgrund der Dehnung der Blasenwand oft mit starken Schmerzen einher. Manchmal ist die Überfüllung der Blase sogar an einem hervortretenden Unterbauch erkennbar. Ein akuter Harnverhalt ist ein medizinischer Notfall, da ein Riss der Harnblase droht.
Bei einem chronischen Harnverhalt kann der Blasenschließmuskel dem Druck der übervollen Blase irgendwann nicht mehr standhalten, sodass der Urin unkontrolliert in kleinen Mengen abgeht (Überlaufinkontinenz oder Überlaufblase). Beim Toilettengang können oft nur kleine Urinmengen abgelassen werden und aufgrund der unvollständigen Blasenentleerung entsteht schnell ein erneuter Harndrang.
Der akute Harnverhalt ist der häufigste Notfall in der Urologie, Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, eine Ischurie zu erleiden.
Ursachen für einen Harnverhalt
In den meisten Fällen stecken mechanische Ursachen hinter einem Harnverhalt: Das bedeutet, dass der freie Fluss des Harns durch ein Hindernis blockiert wird. Mögliche Gründe für einen solchen obstruktiven Harnverhalt sind:
- vergrößerte Prostata (benigne Prostatahyperplasie)
- Prostatakrebs
- Nieren- oder Blasensteine
- Verletzungen oder Verengung der Harnröhre durch Narbengewebe (Urethrastriktur)
- Verengung des Blasenhalses nach einer Operation
- Gebärmuttersenkung
- Darmvorfall
Manchmal ist auch eine Infektion für die Obstruktion verantwortlich: Bei einer akuten Prostataentzündung kann die Prostata so anschwellen, dass sie die Harnröhre blockiert. Bei einer Harnwegsinfektion kann es zu einer Schwellung der Harnröhre selbst kommen.
Neurogene Blasenentleerungsstörung
Wird der Fluss des Urins nicht durch eine mechanische Ursache blockiert, ist oft eine Störung oder Schädigung des Nervensystems für die Ischurie verantwortlich. Ursachen für eine solche neurogene Blasenentleerungsstörung können sein:
- Bandscheibenvorfall
- Schädigungen des Rückenmarks
- Schlaganfall
- Multiple Sklerose
- diabetische Neuropathie (Nervenschädigung durch Diabetes mellitus)
- Wirbelsäulentumoren oder -metastasen
Medikamentöse Auslöser
Außerdem können bestimmte Medikamente einen Harnverhalt auslösen, weil sie auf die Nervensignale einwirken, die das Öffnen und Schließen der Blase steuern. Dazu gehören beispielsweise:
- Antidepressiva und Antipsychotika
- Neuroleptika
- Parkinson-Medikamente
- Opiate
- Medikamente gegen Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen
- nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR)
- Hormone (Östrogen, Progesteron, Testosteron)
- Muskelrelaxanzien
- Antihistaminika
- Amphetamine
Bei einigen Betroffenen hat der Harnverhalt psychische Ursachen. Menschen mit einer sogenannten "schüchternen Blase" (Paruresis) können in tatsächlicher oder gefühlter Gegenwart anderer Menschen nicht wasserlassen.
Typische Symptome bei Harnverhalt
Ein akuter Harnverhalt geht mit starken Unterbauchschmerzen und einem geschwollenen Unterbauch einher. Trotz eines starken Harndrangs können die Betroffenen nicht oder kaum Wasser lassen. Es handelt sich um einen medizinischen Notfall, der sofort behandelt werden muss.
Ein chronischer Harnverhalt verursacht im Gegensatz zum akuten Harnverhalt meist keine Schmerzen. Durch die dauernd übervolle Blase wird jedoch irgendwann die Funktionsfähigkeit des Blasenschließmuskels beeinträchtigt, was sich in unkontrolliertem Harnträufeln äußert. Betroffene haben oft Probleme, den Harnfluss zu starten oder Schwierigkeiten, die Blase vollständig zu entleeren. Auch nach dem Toilettengang verspüren sie weiterhin Harndrang.
Diagnose: So wird Harnverhalt festgestellt
Zur Diagnose einer Ischurie wird zunächst ein ausführliches Gespräch (Anamnese) in der ärztlichen Praxis geführt. Dabei werden die konkreten Beschwerden, eingenommene Medikamente, Vorerkrankungen sowie eventuell vorausgegangene Operationen erfragt. Danach folgt eine körperliche Untersuchung, bei welcher der Bauch abgetastet wird. Bei Männern erfolgt zudem oft eine rektale Untersuchung: Dabei wird ein Finger in den Enddarm eingeführt, um eine eventuell vergrößerte Prostata zu ertasten.
Über eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) lässt sich feststellen, wie voll die Blase ist und ob Harnsteine oder andere Auffälligkeiten vorliegen. Außerdem werden Harn und Blut im Labor untersucht, um bakterielle Infektionen oder Tumormarker im Blut nachzuweisen.
Lässt sich mit diesen Maßnahmen noch keine eindeutige Diagnose stellen, folgen gegebenenfalls weitere Untersuchungen:
- Computertomografie (CT)
- Magnetresonanztomografie (MRT)
- Urografie
- Blasenspiegelung (Zystoskopie)
- Harnflussmessung (Uroflowmetrie)
Therapie: Wie wird ein Harnverhalt behandelt?
Ein akuter Harnverhalt stellt einen medizinischen Notfall dar und muss sofort behandelt werden, damit die Blase nicht reißt. Zur Harnableitung legen Ärzt*innen einen dünnen Schlauch (Katheter) durch die Harnröhre oder die Bauchdecke (suprapubischer Katheter). Die weitere Behandlung richtet sich – genau wie beim chronischen Harnverhalt – nach dem Auslöser. Mögliche Therapieoptionen sind daher:
Antibiotika gegen bakterielle Infektionen
Entfernung von Nieren- oder Blasensteinen
operative Korrektur bei einer Gebärmuttersenkung oder einem Darmvorfall
Medikamente oder Operation bei einer Prostatavergrößerung
Krebstherapie
regelmäßige Selbstkatheterisierung (Betroffene legen sich selbst einen Katheter)
Absetzen auslösender Medikamente
Psychotherapie bei einer schüchternen Blase
Verlauf und Prognose bei einem Harnverhalt
Ein akuter Harnverhalt stellt einen medizinischen Notfall dar: Wird der gestaute Urin nicht schnell abgelassen, droht ein Blasenriss. Und auch wenn ein chronischer Harnverhalt keine Schmerzen bereitet, sollte beim Auftreten erster Beschwerden sofort eine ärztliche Praxis aufgesucht werden. Unbehandelt droht etwa ein Harnstau in den Harnleitern und Nieren, was ernsthafte Nierenschäden nach sich ziehen kann.
In vielen Fällen ist bei einem Harnverhalt jedoch eine einmalige Katheterisierung ausreichend und es kommt zu keinen keinen Komplikationen. Wenn im Anschluss die Ursache des Harnverhalts beseitigt wird, treten die Beschwerden meist kein weiteres Mal auf.
Vorbeugung: Wie lässt sich ein Harnverhalt verhindern?
Die Ursachen für einen Harnverhalt sind vielfältig, dementsprechend hängt auch die Prävention vom jeweiligen Auslöser ab. Bakterielle Infektionen lassen sich beispielsweise durch entsprechende hygienische Maßnahmen im Intimbereich verhindern. Bei ist es etwa wichtig, nach dem Toilettengang von vorne nach hinten zu wischen, um keine Keime aus der Analregion in die Harnröhre einzuschleppen. Eine ausreichende Trinkmenge kann der Bildung von Nieren- und Blasensteinen sowie Harnwegsinfekten vorbeugen.
Grundsätzlich sollte bei auftretenden Beschwerden frühzeitig eine ärztliche Praxis aufgesucht werden, um eine Chronifizierung zu verhindern und dem Harnverhalt zugrunde liegende Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
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