Bindungsangst: Symptome und wie sie sich überwinden lässt
Menschen mit Bindungsangst haben Angst vor Nähe oder können nur schlecht mit ihr umgehen. Lesen Sie hier, welche Symptome es für Beziehungsunfähigkeit gibt, wie sie sich überwinden lässt – und ob sie tatsächlich nur Männer betrifft.
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Artikelinhalte im Überblick:
- Was ist Bindungsangst?
- Ursachen
- Symptome
- Sind nur Männer beziehungsunfähig?
- Wie überwinden?
- Bindungsangst und Beziehungen
Was ist Bindungsangst?
Wer von Bindungsangst betroffen ist, hat Schwierigkeiten damit, sich dauerhaft und eng auf eine Beziehung einzulassen oder diese aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang wird auch oft von Beziehungsunfähigkeit gesprochen.
Typische Symptome bei Bindungsangst sind ein starker Wechsel zwischen Nähe und Distanz in der Beziehung. Aber auch Menschen, die sich bewusst auf eine Person mit Beziehungsphobie einlassen oder sich immer wieder in bereits vergebene oder verheiratete Menschen verlieben, haben unter Umständen Angst vor Bindung.
Die Gründe für die Beziehungsunfähigkeit sind meist in der Kindheit verankert. Aber auch schlechte Erfahrungen, wie das Scheitern einer großen Liebe oder eine Scheidung, können Menschen bindungsängstlich machen.
Die meisten Betroffenen sind sich ihrer Bindungsangst nicht bewusst oder leugnen sie. Dem diffusen Gefühl der Einengung und Furcht begegnen sie mit Flucht oder irrationalem Verhalten. Für das Gegenüber ist dieses Hin und Her aus Nähe und Distanz sehr belastend.
Welche Ursachen hat Bindungsangst?
Wie für andere Angststörungen oder spezifische Phobien auch, gibt es für Bindungsangst auslösende Ursachen. Häufig reichen diese bis weit in die Kindheit zurück und sind den Betroffenen oft gar nicht mehr in Erinnerung.
Mögliche Auslöser sind:
- Gestörtes Verhältnis zur Mutter, zum Vater oder zu beiden Eltern
- Überbehütung oder Vernachlässigung in der frühen Kindheit
- Verlust eines Elternteils
- Verlassenwerden von den Eltern
Auch ein geringes Selbstwertgefühl kann Bindungsangst begünstigen. Selbstzweifel münden oft in Verlustangst. Unbewusst haben Betroffene auch Angst vor emotionaler Abhängigkeit.
Symptome: Anzeichen für Bindungsangst
Durch emotionale Distanz versuchen sich Menschen mit Bindungsangst vor Enttäuschungen, Kontrolle, emotionaler Abhängigkeit oder Eingrenzung zu schützen.
Zu den Verhaltensweisen bei Bindungsangst zählen:
- Schwankende Gefühle zwischen Nähe und Distanz: Bei Funkstille sehnen Betroffene sich nach Nähe und Zuneigung und suchen Kontakt. Ist eine intensive Nähe vorhanden, gehen sie auf Abstand.
- Suche nach Streit: Wenn es zu harmonisch wird, führen sie einen Konflikt herbei.
- Rückzug und vorgetäuschte Abwesenheit: Beruf, Freundeskreis oder Hobbys scheinen oft wichtiger als die Beziehung.
- Verleugnung: Die Partnerschaft wird vor dem sozialen Umfeld verleugnet und/oder das Gegenüber nicht vorgestellt.
- Keine Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit: Händchenhalten oder Küsse werden in öffentlichen Räumen vermieden.
- Ungleiches Machtgefälle: Wer an einer Bindungsphobie leidet, bestimmt, wann es zu Intimitäten wie Küssen, Umarmungen und Sex kommt.
- Großer Wert auf Freiraum: Verbindlichkeiten wie Urlaub, einer gemeinsamen Wohnung oder gar Hochzeit weichen sie aus.
- Flucht aus der Beziehung: Plötzliche Funkstille (Ghosting) ist oft ein Mittel, um Distanz zu schaffen oder eine Trennung zu initiieren.
Körperliche Symptome von Bindungsangst
Bindungsangst kann sich auch durch körperliche Symptome äußern. Betroffene verspüren dann unter anderem:
- Beklemmungsgefühle
- Panikattacken
- Schweißausbrüche
- Herzrasen
- Anspannung
Bindungsangst erkennen
Viele Menschen mit Bindungsangst haben das Bedürfnis nach einer festen Beziehung und leiden häufig darunter. Sie erkennen nicht, dass sie mit ihrem Verhalten selbst zur Trennung beitragen. Folgende Verhaltensmuster können Anzeichen für eine unbewusste Beziehungsangst sein:
- Das Objekt der Begierde wird uninteressant, sobald es zu einer Beziehung kommt
- Gefühle erkalten plötzlich
- Bereits nach kurzer Zeit kommen Zweifel an der Partnerschaft auf
- Die Schwächen des Gegenübers stehen im Mittelpunkt, es wird oft kritisiert
- Häufige Überlegungen, ob nicht jemand anderes besser geeignet wäre
Haben nur Männer Bindungsangst?
Das Gerücht, dass vor allem Männer beziehungsunfähig sind, hält sich hartnäckig. Allerdings zeigen verschiedene Studien auf, dass die Werte Partnerschaft und Familie für Männer im Durchschnitt sogar eine größere Rolle spielen als für Frauen.
Auch sind sie der Untersuchung zufolge aktiver bei der Suche nach einer neuen Beziehung und eher dazu bereit, Kompromisse in einer Partnerschaft einzugehen. Zudem gaben Männer in einer Studie häufiger an, sich in einer Beziehung glücklicher zu fühlen.
Ob Männer oder Frauen häufiger von Beziehungsangst betroffen sind, lässt sich pauschal nicht beantworten. Je nach Geschlecht unterscheidet sich jedoch der Umgang mit der Bindungsphobie.
Wie verhalten sich Männer und Frauen mit Bindungsangst?
Bindungsphobiker verstecken ihre Angst vor Enge und Nähe oft hinter Aussagen wie "Ich bin gerade nicht bereit für eine Beziehung". Von Bindungsangst Betroffene meiden feste Partnerschaften und machen sich selbst vor, dass sie diese nicht brauchen oder ihr ideales Gegenstück noch nicht gefunden haben. Stattdessen flüchten sie sich in lockere Affären oder wünschen sich offene, zwanglose Beziehungen.
Frauen mit Bindungsangst tendieren dazu, sich auf Beziehungen einzulassen, die keine Zukunftsperspektive haben, etwa mit jemanden, der weit entfernt lebt. Auch stellen sie häufig überhöhte Ansprüche an eine Partnerschaft.
Werden diese nicht erfüllt, wird die Beziehung beendet oder es folgt ein emotionaler und räumlicher Rückzug. Die Beziehungslosigkeit wird oft mit dem Argument gerechtfertigt, dass sich bisher niemand Passendes gefunden hat.
Bindungsangst überwinden – aber wie?
Betroffene von Beziehungsangst sind sich oft ihrer Probleme nicht bewusst oder leugnen sie. Um die Bindungsangst zu überwinden, muss diese zunächst erkannt und akzeptiert werden. Der nächste Schritt ist, sich professionelle Hilfe zu suchen. Mithilfe einer Psychotherapie kann es gelingen,
- Vertrauen zu anderen Menschen wieder aufzubauen,
- Grenzen zu kommunizieren oder
- bestimmte Verhaltensregeln zu erlernen.
Wichtig ist zudem, mögliche frühkindliche Erfahrungen oder andere traumatische Erlebnisse aufzuarbeiten, die Gründe für die Bindungsangst sein können. Wer die Auslöser für sein Verhalten versteht, kann es besser verstehen und ändern.
Auch eine positiv erlebte Partnerschaft kann dazu beitragen, dass Bindungsphobiker*innen wieder beziehungsfähig werden. Das ist aber häufig erst möglich, wenn sie gelernt haben, die Beziehung nicht mehr zu sabotieren.
Bindungsangst und Beziehungen: Wie damit umgehen?
Die Beziehung zu einer Frau oder einem Mann mit Bindungsangst kann zur Herausforderung werden. Das emotionale Auf und Ab ist für beide Parteien sehr belastend.
Wer mit einem beziehungsunfähigen Menschen zusammen ist, braucht viel Geduld und Verständnis. Es nützt nichts, Druck auszuüben oder Nähe zu erzwingen. Im Gegenteil: Bindungsängstliche Menschen treten dann die Flucht an oder trennen sich direkt.
Wer der ängstlichen Person ihren Raum lässt, erhöht die Chance, dass die Angst nachlässt. Positive Erlebnisse können helfen, Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen. Das erfordert aber einen langen Atem und Akzeptanz.
Ist die Person bereit, an der Angst vor Bindung zu arbeiten und dafür Beratung oder fachkundige Hilfe anzunehmen, verbessert das die Chance auf eine dauerhafte Partnerschaft. Eine Paartherapie kann von Bindungsangst Betroffene weiter unterstützen.
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