Hypophyse: Die Hirnanhangsdrüse steuert wichtige Hormone
Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüftDie Hypophyse liegt unterhalb des Gehirns und übernimmt wichtige Funktionen im Hormonstoffwechsel. Eine Funktionsstörung der Hirnanhangsdrüse führt zu schwerwiegenden Erkrankungen und starken körperlichen Problemen.
- © iStock.com/janulla
Die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Gehirn und den Drüsen des Körpers. In einem Teil der Hypophyse werden zahlreiche wichtige Hormone gebildet, in einem anderen Teil der Hirnanhangsdrüse werden Hormone des Hypothalamus gespeichert und bei Bedarf freigegeben.
Artikelinhalte im Überblick:
Anatomie: Lage und Aufbau der Hypophyse
Das griechische Wort Hypophysis bedeutet übersetzt "das unten anhängende Gewächs". Diese Übersetzung und das deutsche Wort Hirnanhangsdrüse erklären sich aus der anatomischen Lage der etwa kirschkerngroßen Drüse, die tropfenförmig auf Höhe der Nasenwurzel in einer Knochenmulde (dem Türkensattel, lateinisch Sella turcica) liegt. Durch die knöcherne Umgebung ist die Hirnanhangsdrüse gut geschützt.
Die Hypophyse besteht aus zwei Lappen (Hypophysenvorderlappen und Hypophysenhinterlappen), einem Verbindungsteil (Pars intermedia) und dem Hypophysenstiel. Dieser trichterförmige Stiel verbindet die Hypophyse mit dem Hypothalamus, einem unterhalb des Thalamus liegenden Teil am Boden des Zwischenhirns.
Der Hypophysenvorderlappen wird auch Adenohypophyse genannt, enthält Drüsengewebe und ist hormonaktiv. Die Adenohypophyse macht drei Viertel des Organs aus. Der Hypophysenhinterlappen enthält Nervengewebe und wird deshalb auch Neurohypophyse genannt. Beide Lappen sind miteinander und mit dem Hypothalamus verbunden, das Verbindungsteil sowie der Hypophysenstiel enthalten Blutgefäße und Fortsätze von Nervenzellen.
Hypophysenvorderlappen
Der Hypophysenvorderlappen ist eine typische Hormondrüse, in der lebenswichtige Hormone gebildet werden. Die Bildung und Freisetzung der Hypophysenvorderlappen-Hormone werden durch sogenannte Releasing- oder Inhibiting-Hormone des Hypothalamus reguliert.
Zusätzlich reagiert der Hypophysenvorderlappen auf Informationen von Rezeptoren, die melden, ob die Körperdrüsen ausreichend Hormone gebildet und in das Blut abgegeben haben. Sind dort genug Hormone vorhanden, beendet oder reduziert der Hypophysenvorderlappen die Hormonproduktion. Fehlen dagegen Hormone, wird die Produktion im Hypophysenvorderlappen angekurbelt.
Hypophysenhinterlappen
Der Hypophysenhinterlappen wird auch als Neurohypophyse bezeichnet, weil er aus Nervenfasern und Nervenenden besteht, deren Zellkerne sich im Hypothalamus befinden. Der Hypophysenhinterlappen ist also ein Teil des Gehirns, eine Ausstülpung des Zwischenhirns. Im Hypothalamus produzierte Hormone gelangen über Nervenfasern in den Hypophysenhinterlappen, werden dort gespeichert und bei Bedarf freigesetzt.
Funktion der Hypophyse: Steuerung von Hormonen
Die Hypophyse steuert die Funktion der meisten Drüsen, die ihre Sekretionsprodukte in den Blutkreislauf abgeben. Deshalb wird sie häufig als Hauptdrüse bezeichnet. Die Arbeit der Hypophyse selbst wird allerdings weitgehend vom Hypothalamus bestimmt, der direkt oberhalb der Hypophyse liegt. Hypothalamus und Hypophyse erkennen die Spiegel der Hormone, die in den Zieldrüsen (von der Hypophyse gesteuerte Drüsen) produziert werden und bestimmen, wie stark diese Zieldrüsen zur Hormonproduktion angeregt werden müssen.
Hormone des Hypophysenvorderlappens
Im Hypophysenvorderlappen werden viele Hormone produziert, die unterschiedliche Organe beeinflussen:
Muskeln und Knochen: Das Wachstumshormon reguliert das Wachstum sowie die körperliche Entwicklung und bestimmt den Körperbau, indem es Muskelbildung und Fettabbau steuert.
Schilddrüse: Das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) regt die Schilddrüse zur Produktion von Schilddrüsenhormon an.
Nebennieren: Das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) wird auch als Corticotropin bezeichnet und regt die Nebennieren zur Bildung von Kortison, Aldosteron und Androgenen an.
Eierstöcke oder Hoden: Das follikelstimulierende Hormon (FSH) sowie das luteinisierende Hormon (LH) regen in den Hoden die Spermienbildung und in den Eierstöcken die Follikelbildung und somit den Eisprung an. Außerdem sind sie für die Produktion von Sexualhormonen (Testosteron und Östrogen) in den Fortpflanzungsorganen zuständig.
Brustdrüsen: Prolaktin regt die Brustdrüsen der Frau zur Milchbildung an. Außerdem unterdrückt es den Eisprung.
Daneben produziert der Hypophysenvorderlappen unter anderem das beta-melanozytenstimulierende Hormon, welches die Dunkelfärbung der Haut verursacht sowie Hormone, die das Schmerzempfinden hemmen (Enkephaline und Endorphine) und die Funktion von Gehirn und Immunsystem unterstützen (Endorphine).
Hormone des Hypophysenhinterlappens
Die Hypophysenhinterlappen-Hormone werden im Hypothalamus gebildet und in der Hirnanhangsdrüse gespeichert sowie von dort bei Bedarf freigesetzt:
Gebärmutter und Brustdrüsen: Oxytocin bewirkt die Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur. Bei der Geburt löst es so die Wehen aus, unmittelbar nach der Geburt verhindert es starke Blutungen. Zudem regt es in den Brustdrüsen die Milchsekretion an, indem es Kontraktionen der Milchgänge auslöst und somit die Milch zur Brustwarze der stillenden Frau transportiert werden kann.
Nieren: Vasopressin, auch Adiuretin (ADH) genannt, hemmt die Wasserausscheidung über die Nieren und verengt die Blutgefäße. Die Regulation der Wassermenge, die durch die Nieren ausgeschieden wird, bestimmt den Wasserhaushalt des Körpers und beeinflusst den Blutdruck.
Funktionsstörung der Hypophyse meist durch Tumoren
Die von der Hypophyse gebildeten oder freigesetzten Hormone beeinflussen die Gesundheit entscheidend. Eine Störung der Hypophyse führt dazu, dass zu große oder zu kleine Mengen bestimmter Hormone im Körper vorhanden sind, was zu einer Vielzahl an möglichen Symptomen mit unterschiedlichen Einflüssen auf Lebenserwartung und Lebensqualität führt.
Der häufigste Grund für Fehlfunktionen der Hirnanhangsdrüse sind Tumoren. Geschwulste der Hypophyse sind relativ selten, von 100.000 Menschen erkranken etwa eine bis vier Personen pro Jahr an einem Hypophysentumor. Der überwiegende Teil davon geht vom Hypophysenvorderlappen aus.
Da somit der Tumor von hormonproduzierendem Drüsengewebe ausgeht, spricht man in diesen Fällen auch von Hypophysenadenomen. Ein solches Mikroadenom an der Hypophyse sorgt dafür, dass im veränderten Drüsengewebe mehr oder weniger Hormone gebildet werden. Man unterscheidet deshalb bei der Einteilung der Hypophysenadenome hormonaktive von hormoninaktive Tumoren.
Die hormonaktiven machen mit knapp 70 Prozent den Großteil der Hypophysentumoren aus. Je nachdem welches Hormon das Adenom freisetzt, entwickeln sich unterschiedliche Krankheitsbilder.
Hormoninaktive Tumoren rufen keine Hormonwirkung im Körper hervor, können aber trotzdem zu ausgeprägten Krankheitserscheinungen führen. Dies passiert vor allem dadurch, dass der Tumor durch sein Wachstum Druck auf angrenzendes Gewebe ausübt und dadurch wichtige Strukturen schädigt. So kann die Vergrößerung der Hypophyse die direkt benachbarte Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) beeinträchtigen und zu Gesichtsfeldeinschränkungen und einer Abnahme des Sehvermögens führen.
Andere, noch seltenere Gründe für eine Fehlfunktion der Hypophyse sind Entzündungen des Gehirnes (Enzephalitis) oder der Hirnhäute (Meningitis), Unfälle, Bestrahlungen, Durchblutungsstörungen oder Operationen. Dabei können Hypothalamus oder Hirnanhangsdrüse so geschädigt werden, dass sie nicht mehr ausreichend Hormone bilden.
Störung der Hypophyse: Symptome und Erkrankungen
1. Erkrankungen, die aus einer Überproduktion von Hypophysen-Hormonen entstehen können:
Zu viele Wachstumshormone führen bei Jugendlichen mit offenen Wachstumsfugen zu Riesenwuchs. Bei Erwachsenen kommt es zu einer Akromegalie, einer Vergrößerung von Händen, Füßen und Kopf mit vergröberten Gesichtszügen. Auch im Körperinneren nehmen die Organe an Größe zu.
Zu viel Prolaktin führt zu Galaktorrhö (Ausscheidung von Brustmilch bei Männern oder Frauen, die nicht stillen). Bei Frauen setzt die Regelblutung aus und sie leiden unter sexueller Unlust, bei Männern kommt es ebenfalls zu Libido- und Potenzverlust (erektile Dysfunktion), außerdem kann die Zeugungsfähigkeit herabgesetzt sein.
Zu viel ACTH kann zu Morbus Cushing (Überfunktion der Nebennierenrinde) mit Gewichtszunahme, Bluthochdruck und psychischen Beschwerden führen.
Zu viel TSH erzeugt eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreoidismus) mit Herzrasen, Schwitzen, Durchfall und Gewichtsverlust.
2. Erkrankungen, die aus einer Unterproduktion von Hypophysen-Hormonen entstehen können:
Erzeugt der Hypophysenvorderlappen zu wenig Hormone, spricht man von Hypophysenvorderlappenschwäche oder -insuffizienz. Meist fallen die Hormone in einer typischen Reihenfolge aus. Zunächst fehlt das Wachstumshormon, danach das follikelstimulierende und das luteinisierende Hormon (FSH und LH).
Dann reduzieren sich das schilddrüsenstimulierende Hormon (TSH), das nebennierenrindenstimulierende Hormon (ACTH) und das melanozytenstimulierende Hormon (MSH). Als letztes versagt die Prolaktin-Produktion. Es kann jedoch auch jedes Hormon einzeln ausfallen.
Zu wenig ADH führt zum zentralen Diabetes insipidus. Betroffene sind nicht mehr in der Lage, Wasser im Körper zurückzubehalten und scheiden pro Tag mehrere Liter Urin (manchmal bis zu 20 Liter) aus. Der Wasserhaushalt des Körpers ist dadurch erheblich gestört und es kommt zu ständigem Durstgefühl, trockener Haut und Schleimhäuten, Verstopfung, Schlafstörungen, Gereiztheit sowie Krämpfen.
Zu wenig Wachstumshormon bedingt bei Kindern, dass sie nicht richtig wachsen und klein bleiben (hypophysärer Zwergwuchs). Intelligenz der Kinder und die Körperproportionen sind normal. Bei Erwachsenen wird vermehrt Fett im Bauchbereich eingelagert und die Muskelmasse nimmt ab. Durch den gestörten Fettstoffwechsel steigt das Risiko für eine Gefäßverkalkung (Arteriosklerose).
Zu wenig FSH und LH lässt bei Frauen die Regelblutung ausbleiben. Männer haben Potenzstörungen, beide Geschlechter leiden unter sexueller Unlust und verlieren im Achsel- und Schambereich die Behaarung.
Zu wenig TSH führt zur Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Betroffene sind müde und lustlos, nehmen Gewicht ab, frieren ständig, haben eine raue, heisere Stimme, brüchiges Haar, Verstopfung und möglicherweise Depressionen.
Zu wenig ACTH ist der Grund für einen gestörten Zuckerstoffwechsel und Probleme im Salz- und Wasserhaushalt. Folgen sind Unterzucker, erniedrigter Blutdruck und Antriebsarmut.
Zu wenig Prolaktin lässt bei stillenden Frauen den Milchfluss versiegen.
Zu wenig MSH führt zu Hautblässe.
Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!