Jodtabletten: Wann die Einnahme von hochdosiertem Kaliumiodid sinnvoll ist
Jodtabletten mit dem Wirkstoff Kaliumiodid können in hoher Dosierung vor atomarer Strahlung schützen, etwa nach einem Reaktorunfall, wenn radioaktives Jod freigeworden ist. Das Medikament verhindert richtig eingenommen Strahlenschäden und Krebs, die Einnahme geht allerdings mit Risiken einher.
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Jodtabletten können den Körper in bestimmten Fällen vor Schäden durch radioaktive Strahlenbelastung schützen, doch nicht immer ist die Einnahme sinnvoll. Wird Kaliumiodid (auch Kaliumjodid) grundlos eingenommen, kann dies sogar schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Im Überblick:
- Wie wirken Jodtabletten?
- Anwendungsgebiete
- Einnahme
- Dosierung
- Nebenwirkungen
- Wann nicht einnehmen?
- Wechselwirkungen
Jodtabletten: Wirkung von Kaliumiodid als Arzneimittel
Jod (auch Iod) ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das insbesondere von der Schilddrüse benötigt wird, um stoffwechselaktive Hormone herzustellen. Jod ist in vielen Lebensmitteln enthalten, allerdings sind Menschen in Deutschland oftmals schlecht mit dem Stoff versorgt – sie nehmen weniger Jod über die Nahrung auf, als sie eigentlich bräuchten. Ein Jodmangel kann mit verschiedenen Symptomen einhergehen, typisch ist eine Vergrößerung der Schilddrüse und die damit verbundene Kropfbildung (Strumabildung).
Um einem Mangel entgegenzuwirken, wird Speisesalz mit dem Spurenelement angereichert (jodiertes Speisesalz). Selten muss bei einem Jodmangel mit Tabletten nachgeholfen werden, dieser lässt sich mit niedrig dosiertem Kaliumiodid (Jodid-Tabletten) beheben. Auch zur Behandlung eines Kropfes werden Jodid-Tabletten verabreicht.
Darüber hinaus spielt Jod eine große Rolle bei radioaktiven Katastrophen, etwa bei dem Reaktorunfall in Tschernobyl (Ukraine) von 1986. In Kernkraftwerken entsteht bei der Kernspaltung radioaktives Jod als Nebenprodukt. Wird dieses im Falle eines Unfalls frei, kann es vom Körper aufgenommen und in der Schilddrüse verstoffwechselt werden: Der Körper kann nicht zwischen natürlichem und radioaktivem Jod unterscheiden. So kann es leicht zu Strahlenschäden kommen, insbesondere bei Kindern und jungen Menschen steigt das Risiko für Schilddrüsenkrebs.
Hochdosierte Jodtabletten mit Kaliumiodid liefern natürliches Jod in großen Mengen, sodass der Bedarf in jedem Fall gedeckt ist. Damit verhindert die Einnahme von Jodtabletten, dass radioaktives Jod von der Schilddrüse aufgenommen und dort eingelagert wird. Sie bilden somit eine schützende Jodblockade. Auch die Aufnahme von radioaktiven Cäsium, das dem Kalium chemisch ähnlich ist, wird dadurch vermindert.
Wann werden Jodtabletten eingenommen?
Zu Behandlung eines Jodmangels werden ebenfalls Kaliumiodid-Präparate eingesetzt, sie sind allerdings niedrig dosiert (etwa 100 Mikrogramm bis 2 Milligramm) und eignen sich deshalb nicht zum Aufbau der schützenden Jodblockade.
Jodtabletten nur in seltenen Notfällen notwendig
Die Anwendung von hochdosiertem Kaliumiodid (65 bis zu 130 Milligramm bei Erwachsenen) wird nur in sehr seltenen Fällen empfohlen, etwa nach Unfällen in Kernkraftwerken oder anderen nuklearen Katastrophen. Dann gibt die Katastrophenschutzbehörde eine Aufforderung zur Anwendung heraus.
Für die richtige Wirkung und den optimalen Schutz vor Strahlung ist der Zeitpunkt der Einnahme von Jodtabletten von besonderer Bedeutung. Wird das Medikament zu spät eingenommen, kann die Schilddrüse schon verstrahltes Jod aufnehmen. Wird das Medikament zu früh eingenommen, ist es oftmals schon wieder aus dem Körper ausgeschieden worden: Die Jodblockade wirkt nur noch vermindert, obwohl die Gefahr der Radioaktivität noch nicht vorüber ist.
Radioaktives Jod hat eine sehr geringe Halbwertszeit von etwa acht Tagen. Danach ist nur noch die Hälfte des radioaktiven Isotops vorhanden. Die Gefahr reduziert sich demnach sehr schnell. Je nach Witterungsbedingung, der Menge an freigesetztem radioaktiven Jod und dem Ort der Freisetzung können dann im Falle eines nuklearen Unfalls unterschiedliche Empfehlungen gelten. Nicht immer ist die Einnahme von Jodtabletten notwendig und sinnvoll.
Im Falle der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 wurde sehr viel radioaktives Jod freigesetzt. Die radioaktive Wolke erreichte Deutschland nach rund einer Woche, bei einer Halbwertszeit von 8 Tagen war noch einiges an radioaktivem Jod nach dieser Zeit übrig. Es wurde damals erstmals die Einnahme von Jodtabletten empfohlen. Diese waren aber schnell in den Apotheken ausverkauft, wodurch nur wenige Bürger*innen die Jodblockade aufbauen konnten.
Gute Versorgung mit Jodtabletten in der Bundesrepublik
Derzeit sind die Bundesländer gut mit dem Medikament versorgt. Rund 190 Millionen hochdosierte Präparate gibt es auf Vorrat, sie werden im Falle einer atomaren Katastrophe erst nach behördlicher Aufforderung ausgegeben. Es wird davon abgeraten, Jodtabletten präventiv, also ohne Empfehlung der Katastrophenschutzbehörden einzunehmen.
Wer darf Kaliumiodid-Tabletten einnehmen?
Kinder und Jugendliche sind im Falle einer nuklearen Verseuchung stark gefährdet, ihnen wird der Aufbau einer Jodblockade besonders empfohlen. Da sie noch im Wachstum sind, ist die Schilddrüse aktiver als bei Erwachsenen, ihr Jodbedarf ist erhöht. Zudem ist die Schilddrüse noch kleiner als bei Erwachsenen und damit anfälliger für Gewebeschäden.
In der Schwangerschaft kann die Einnahme von Jodtabletten Mutter und Kind schützen, ab der 12. Schwangerschaftswoche lagert der Embryo Jod in die Schilddrüse ein. Jod kann über die Muttermilch beim Stillen vom Säugling aufgenommen werden. Um einen sicheren Schutz gewährleisten zu können, sollten allerdings auch Babys die Tabletten bekommen.
Für Personen von 18 bis 45 Jahren ist das Risiko geringer als für Kinder, in manchen Fällen kann die Anwendung allerdings behördlich angeordnet beziehungsweise empfohlen sein.
Dosierung von Kaliumiodid
Die Dosierung zum Aufbau der Jodblockade richtet sich nach dem Alter. Auch für die Schwangerschaft und Stillzeit gibt es Dosierungsempfehlungen.
Alter | Dosierung |
Bis zu einem Monat | 16,25 mg |
1 Monat bis 3 Jahre | 32,5 mg |
4 bis 12 Jahre | 65 mg |
13 bis 45 Jahre | 130 mg |
Schwangerschaft und Stillzeit | 130 mg |
Eine einmalige Einnahme ist in aller Regel ausreichend, in manchen Fällen kann die Einnahme weiterer Tablette angeordnet werden. Schwangere dürfen nicht mehr als zwei Jodtabletten nehmen, Säuglinge sollten maximal eine Dosis bekommen.
Die Tablette kann ganz geschluckt oder in Wasser aufgelöst werden. Bei empfindlichem Magen sollte die Einnahme nach einer Mahlzeit erfolgen, das beugt Reizung und Übelkeit vor.
Nebenwirkungen von Jodtabletten
Jodtabletten können Nebenwirkungen zur Folge haben, besonders häufig kommt dabei es zu Magen-Darm-Problemen wie Durchfall und Übelkeit. Seltener kommt es im Zuge der Einnahme zu Erkrankungen der Schilddrüse mit einem Ungleichgewicht von Schilddrüsenhormonen, wie einer Schilddrüsenüberfunktion, die sich unter anderem durch erhöhtes Schwitzen, Gewichtsverlust und einem hohen Puls äußern kann. Darüber hinaus kommt es in seltenen Fällen zu einer Gefäßentzündung oder allergischen Reaktionen.
Wann Jodtabletten nicht eingenommen werden dürfen
Menschen ab 45 Jahren dürfen keine Jodtabletten einnehmen. Das Risiko im Falle eines atomaren Unfalls an Schilddrüsenkrebs zu erkranken ist gering, allerdings steigt mit dem Alter das Risiko für Nebenwirkungen wie etwa Schilddrüsenprobleme.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Kontraindikationen. Die Einnahme von Jodtabletten empfiehlt sich nicht, wenn folgende Vorerkrankungen bestehen:
- Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
- Gutartiger Knoten in der Schilddrüse
- Tumoren der Schilddrüse (auch bei Verdacht)
- Jodallergie
- Dermatitis herpetiformis Duhring
- Hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis (HUV, allgergische Gefäßentzündung)
Bei Erkrankungen und Engstellen der Luftröhre ist bei der Einnahme Vorsicht geboten, hochdosiertes Kaliumiodid kann eine Vergrößerung der Schilddrüse zur Folge haben und die Beschwerden verschlimmern.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Wechselwirkungen von Kaliumiodid-Tabletten und anderen Arzneimitteln sind möglich, besondere Vorsicht ist bei der gleichzeitigen Einnahme mit Schilddrüsenpräparaten geboten. Thryeostatika wie Perchlorat, Thiamazol und Carbimazol hemmen beispielsweise die Aufnahme von Jod in der Schilddrüse. Ärztliche Rücksprache ist erforderlich.
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