Schwerbehindertenausweis: Anspruch, Vorteile und Antrag
Der Schwerbehindertenausweis macht den Weg für Hilfen und Leistungen frei. Doch wann wird der Behindertenausweis ausgestellt, wie lässt er sich beantragen und was bringt er eigentlich genau?
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Artikelinhalte im Überblick:
Was ist der Schwerbehindertenausweis?
Ein Schwerbehindertenausweis ist die amtliche Anerkennung einer schweren Behinderung. Anspruch auf den Behindertenausweis haben Personen, die in Deutschland wohnen oder arbeiten und bei denen der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt. Durch den Nachweis ist die Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen möglich. Sie werden auch als "Nachteilsausgleich" bezeichnet und sollen ermöglichen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Der Schwerbehindertenausweis selbst ist kostenlos.
Anspruch: Wer bekommt den Schwerbehindertenausweis?
Ob eine Schwerbehinderung vorliegt, wird vom zuständigen Versorgungsamt festgestellt. Dazu wird der sogenannte Grad der Behinderung (GdB) ermittelt. Dieser Grad gibt an, welche geistigen, seelischen, körperlichen und sozialen Auswirkungen eine Behinderung auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben hat.
Die Beurteilung der Gutachter*innen vom Versorgungsamt stützt sich auf die Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die in der Versorgungsmedizin-Verordnung beschrieben werden. Die Verordnung umfasst verschiedene Krankheitsbilder und ihre Ausprägungen mit dem passenden Grad der Behinderung.
Eine Schwerbehinderung liegt dann vor, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt. Wer einen niedrigeren Grad der Behinderung hat, kann sich gegebenenfalls gleichstellen lassen und trotzdem einen Schwerbehindertenausweis erhalten. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Grad der Behinderung mindestens 30 beträgt und man aufgrund seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht bekommen oder behalten kann.
In der Allgemeinheit wird häufig angenommen, dass der Grad der Behinderung eine Prozentangabe sei, dies ist jedoch nicht der Fall. Einige Beispiele aus der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV):
Hirnschäden mit einer schweren Leistungsbeeinträchtigung werden mit einem Grad der Behinderung von 70 bis 100 angegeben.
Bi tiefgreifenden Entwicklungsstörungen wie zum Beispiel Autismus beträgt der Grad der Behinderung 80 bis 100, wenn im individuellen Fall schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten bestehen.
Eine Muskelschwäche mit mittelgradigen Auswirkungen hat einen Grad der Behinderung von 50 bis 80.
Liegen mehrere Erkrankungen vor, wird der Grad der Behinderung nicht einfach addiert, sondern die Auswirkungen werden in ihrer Gesamtheit betrachtet. Daher gestaltet es sich als schwierig, den Grad der Behinderung vor der Antragsstellung anhand der GdB-Tabelle selbst zu bestimmen.
Wichtig: Viele Menschen, die an chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma oder Diabetes leiden, wissen nicht, dass auch sie je nach Auswirkungen der Erkrankung Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis haben könnten. Es empfiehlt sich eine persönliche Beratung bei dem*der Hausarzt*Hausärztin.
Wie sieht ein Schwerbehindertenausweis aus?
Der Schwerbehindertenausweis ist eine Plastikkarte im Format einer Scheckkarte. Je nach Berechtigung ist die Farbe grün oder grün-orange: Eine Färbung in grün-orange bedeutet, dass eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr möglich ist. Folgende Angaben sind auf dem Schwerbehindertenausweis ausgezeichnet:
Vorderseite des Schwerbehindertenausweises:
- Name
- Lichtbild
- Geschäftszeichen des Versorgungsamts
- Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson (ist dies der Fall, enthält der Ausweis den Großbuchstaben "B")
- bis wann gültig
- Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft in englischer Sprache
- ggf. Kennzeichnung in Braille-Schrift (Schriftsystem für blinde Menschen)
Rückseite des Schwerbehindertenausweises:
- Merkzeichen
- Grad der Behinderung
- Name und Geburtsdatum
- Ausstellungsbehörde und Geschäftszeichen
- ab wann gültig
- ggf. sonstige Eintragungen
Was bedeuten die Merkzeichen auf dem Schwerbehindertenausweis?
Welche Ansprüche für Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis bestehen, ist nicht nur abhängig vom Grad der Behinderung, sondern auch von den Merkzeichen. Dabei handelt es sich um Merkmale für bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen. Welche Merkzeichen auf den individuellen Fall zutreffen, wird bei der Antragstellung überprüft. Folgende Merkzeichen gibt es:
G = Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt
aG = Außergewöhnliche Gehbehinderung
H = Hilflos
Bl = Blind
Gl = Gehörlos
B = Berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson
RF = Rundfunkbeitragsermäßigung und Telefongebührenermäßigung möglich
1. Kl = Berechtigt zur Nutzung der ersten Klasse der Deutschen Bahn mit Fahrkarte für die zweite Klasse (nur bei Versorgungsempfängern nach Bundesversorgungsgesetz oder Bundesentschädigungsgesetz)
TBl = Taubblind
Durch politische Reformen hat sich bei der Benutzung des Schwerbehindertenausweises in den letzten Jahren viel getan. Das Merkzeichen "aG" liegt zum Beispiel nicht mehr nur bei orthopädischen Einschränkungen vor, sondern auch dann, wenn innere Erkrankungen zu Gehbeeinträchtigungen führen. Es lohnt sich daher, sich für seinen individuellen Fall genau zu informieren. Hilfe bieten hier zum Beispiel die Sozialverbände – etwa der Sozialverband VdK Deutschland e.V. oder der Sozialverband Deutschland e.V.
Welche Vorteile bietet der Schwerbehindertenausweis?
Schwerbehinderte Menschen müssen in ihrem Alltag zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Mehraufwand bewältigen. Um diese Nachteile auszugleichen, können sie durch den amtlichen Nachweis ihrer Behinderung bestimmte Leistungen erhalten.
Folgende Nachteilsausgleiche sind zum Beispiel möglich:
Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ("Freifahrt"): Hierzu wird zusätzlich ein Beiblatt mit einer aufgedruckten Wertmarke benötigt. Diese Wertmarke ist nur für bestimmte Merkzeichen komplett kostenlos, ansonsten wird ein Eigenanteil berechnet. Bei einem entsprechenden Vermerk im Schwerbehindertenausweis ist die Mitnahme einer Begleitperson kostenlos.
Vergünstigungen im Fernverkehr: Die Deutsche Bahn bietet zum Beispiel besondere Tarife für die BahnCard an.
Parkerleichterungen: Dazu zählt zum Beispiel die Benutzung von Behindertenparkplätzen oder die Erlaubnis an bestimmten Stellen zu parken, an denen das Parken sonst nicht gestattet ist. Hierfür muss zusätzlich ein spezieller Parkausweis beantragt werden.
Ermäßigter Eintritt: In vielen Kunst- und Kultureinrichtungen oder bei Veranstaltungen können Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis Vergünstigungen erhalten.
Steuerliche Erleichterungen: Diese umfassen zum Beispiel pauschale Freibeträge bei der Einkommensteuer oder Ermäßigungen bei der Kfz-Steuer.
Rundfunkbeitragsermäßigung: Blinde oder hörgeschädigte Menschen können eine Ermäßigung der Rundfunkbeiträge beantragen. Auch eine komplette Befreiung von der Beitragspflicht ist unter bestimmten Bedingungen möglich.
Besonderer Schutz in der Arbeitswelt: Dazu zählen zum Beispiel Kündigungsschutz und zusätzliche Urlaubstage.
Schwerbehindertenausweis beantragen – wie geht das?
Jede Person kann selbst entscheiden, ob sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen und nutzen möchte. Wer von den Vorteilen profitieren will, muss den Grad der Behinderung feststellen lassen und einen Antrag für den Schwerbehindertenausweis beim Versorgungsamt einreichen.
Wo? Welches Amt für den Antrag zuständig ist, hängt vom jeweiligen Bundesland ab.
Wie? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt, sich vor der Beantragung des Schwerbehindertenausweises in der hausärztlichen Praxis beraten zu lassen. Wie genau die Beantragung selbst abläuft, ist abhängig von der jeweiligen Behörde – oftmals kann man die Antragsformulare online einreichen. Wer den Antrag nicht selbst erstellen kann, darf eine Vollmacht erteilen.
Was? Für den Antrag müssen alle Nachweise zum Gesundheitszustand wie Befunde, Laborberichte, Anerkennungsbescheide von Arbeitsunfällen oder Ähnliches zusammengestellt werden. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung und alle benötigten Formulare je nach Bundesland hält das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hier auf seiner Website bereit.
Wie lange ist ein Schwerbehindertenausweis gültig?
In der Regel beträgt die Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises höchstens fünf Jahre. Etwa drei Monate vor dem Ablaufdatum sollte eine Verlängerung beantragt werden. Es gibt auch Fälle, in denen der Behindertenausweis unbefristet ausgestellt wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine Änderung von Art und Schwere der Behinderung nicht zu erwarten ist.
Hat sich der Gesundheitszustand verändert, kann der Grad der Behinderung neu bewertet und der Schwerbehindertenausweis daraufhin angepasst werden.
Gilt der Schwerbehindertenausweis im Ausland?
Der Schwerbehindertenausweis gilt nur in Deutschland. Das bedeutet: Vorteile des Behindertenausweises wie die Vergünstigungen im Nahverkehr können nicht automatisch auch im Ausland genutzt werden. Auf der Vorderseite des Ausweises ist aber ein Vermerk in englischer Sprache aufgedruckt, dass eine Schwerbehinderung vorliegt. Möglicherweise können dadurch spezielle Regelungen – wie zum Beispiel ermäßigter Eintritt – auch im Ausland vor Ort wahrgenommen werden.
Da es in den Mitgliedstaaten der EU bisher keine gegenseitige Anerkennung der Schwerbehindertenausweise gibt, soll künftig ein EU-Behindertenausweis eingeführt werden.
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