Wenn Kinder den Urin nicht halten können

Enuresis: Wenn das Einnässen nicht aufhört

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Wenn ein Kind auch nach dem fünften Geburtstag noch regelmäßig einnässt, wird das als Enuresis bezeichnet. Sie tritt als nächtliches Bettnässen oder Harninkontinenz am Tag auf. Meist steckt keine organische Ursache dahinter und es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Behandlungen, die helfen.

Kind hat sich eingenässt
© Getty Images/goodmoments

Kinder brauchen unterschiedlich lang, bis sie ihre Blase unter Kontrolle haben – bis zum vollendeten fünften Lebensjahr gilt der unkontrollierte Harnverlust als vollkommen normal. Wann also spricht man von Enuresis (Bettnässen) und was hilft dagegen?

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Was ist Enuresis?

Von einer Enuresis spricht man, wenn das Kind mindestens fünf Jahre alt ist und über einen Zeitraum von drei Monaten mindestens einmal im Monat einnässt. Im Alter von sieben Jahren nässen nachts zehn Prozent der Kinder, tagsüber zwei bis neun Prozent ein. Jungen sind doppelt so oft betroffen wie Mädchen. Damit gehört die Enuresis zu den häufigsten Störungen im Kindesalter, in seltenen Fällen tritt sie auch bei Erwachsenen auf.

Formen der Enuresis

Für eine erfolgreiche Therapie ist es sehr wichtig, die verschiedenen Formen der Harninkontinenz im Kindesalter zu unterscheiden. Dazu werden verschiedene Kriterien herangezogen:

  • Primäre Enuresis: Das Einnässen besteht ohne Unterbrechung von Geburt an.

  • Sekundäre Enuresis: Sie tritt nach einer mindestens sechsmonatigen trockenen Phase erneut auf. Bei Erwachsenen spricht man von einer adulten Enuresis.

  • Organische Enuresis: Die Form der Inkontinenz wird durch strukturelle Anomalien des Harntraktes oder neurologische Störungen ausgelöst.

  • Nicht-organische (funktionelle) Enuresis: Ihr liegen keine organischen Ursachen oder Erkrankungen zugrunde.

  • Monosymptomatische/nicht-monosymptomatische Enuresis: Beides sind Formen der nicht-organischen Inkontinenz. Die monosymptomatische Enuresis (MEN) tritt ausschließlich in der Nacht auf (Enuresis nocturna), die nicht-monosymptomatische Enuresis (non-MEN) geht mit zusätzlichen Symptomen am Tag einher. Darüber hinaus gibt es auch eine Blasendysfunktion, die ausschließlich am Tag auftritt.

Begleitstörungen der Enuresis

Zirka ein Drittel der Kinder mit nicht-monosymptomatischer Enuresis ist auch von Stuhlinkontinenz betroffen. Bei bis zu 40 Prozent der Kinder zeigen sich zudem klinisch relevante Verhaltensstörungen wie ADHS, Ängste, Depressionen oder Störungen des Sozialverhaltens. Diese können eine Folge des Einnässens sein, in manchen Fällen gehen sie ihm voraus, beispielsweise bei einer sekundären Enuresis im Zusammenhang mit einer psychischen Belastung.

Ursachen einer Enuresis

Nur selten liegt dem Einnässen ein greifbarer körperlicher Befund zugrunde. Bei einer solchen organischen Enuresis ist oft eine anatomische Fehlbildung, eine Erkrankung der Nieren oder eine neurologische Störung die Ursache.

Bei einer nicht-organischen monosymptomatischen Enuresis (Enuresis nocturna, nächtliches Bettnässen) sind die Ursachen nicht eindeutig geklärt. Es scheint jedoch eine genetische Veranlagung zu geben. Die Fähigkeit zur Blasenkontrolle scheint bei diesen Menschen erst verzögert einzutreten: Der Harndrang wird nicht rechtzeitig erkannt und/oder der Körper produziert im Schlaf nicht genug antidiuretisches Hormon (ADH). Dieses sorgt normalerweise dafür, dass die Nieren nachts weniger Urin produzieren als tagsüber.

Bei einer sekundären Enuresis muss darüber hinaus auch immer an psychosoziale Belastungen gedacht werden: Nicht selten nässen Kinder nach einer längeren Trockenphase wieder ein, wenn die Eltern sich trennen, ein Geschwisterkind geboren wird oder der Wechsel vom Kindergarten in die Schule ansteht.

Die nicht-organische nicht-monosymptomatische Enuresis wird – ebenso wie die nur am Tag auftretende Blasendysfunktion – abhängig von der Tagessymptomatik in drei Untergruppen unterteilt:

  • Kinder mit überaktiver Blase und geringer Blasenkapazität bleiben tagsüber durch häufige Toilettengänge und gezieltes Dursten oft trocken, nässen aber nachts ein, wenn diese Kontrollmechanismen entfallen.

  • Wenn der Urin immer wieder sehr lange gehalten wird, um beispielsweise das Spiel nicht zu unterbrechen (Miktionsaufschub), geht das Gefühl für eine volle Blase auf die Dauer verloren. Das kann infolge der ständigen Überdehnung zu einer „underactive bladder“ führen, bei der die Kontraktionskraft der Blase nach und nach schwindet.

  • Bei einer dyskoordinierten Miktion kann die Blase aufgrund einer angespannten Beckenbodenmuskulatur nicht vollständig entleert werden; der Harnstrahl ist schwach oder bricht immer wieder ab. Ursache sind oft eine falsche Sitzhaltung oder Schmerzen beim Wasserlassen.

Diagnose: So wird eine Enuresis festgestellt

Zu Beginn der Diagnostik steht ein ausführliches Gespräch (Anamnese), in dem der*die Arzt*Ärztin unter anderem die Trinkmenge, Häufigkeit des Wasserlassens, Vorerkrankungen und psychosoziale Belastungen abfragt.

Danach soll das betroffene Kind ein Tagebuch führen, in dem es über zwei Tage die Trink- und Urinmengen und über 14 Tage sämtliche Ereignisse zur Harn- und Stuhlinkontinenz erfasst. Außerdem kommen standardisierte Fragebögen zur Erfassung von psychischen Störungen zum Einsatz. Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung wird nach organischen Ursachen für die Enuresis gesucht. Eine Urinuntersuchung schließt Harnwegsinfektionen aus, eine Ultraschalluntersuchung von Niere, Blase und Rektum zeigt mögliche Auffälligkeiten. Gegebenenfalls führen Fachleute eine Uroflowmetrie (Harnflussmessung) durch: Dabei wird der Harnstrahl beim Wasserlassen gemessen, um so einer Störung der Blasenentleerung auf die Spur zu kommen.

Behandlung der Enuresis

Der Sammelbegriff für alle konservativen, nicht-chirurgischen und nicht-medikamentösen Behandlungsformen bei Funktionsstörungen des unteren Harntraktes lautet Urotherapie. Ziel dieser Therapie ist immer der Erwerb einer vollständigen Blasenkontrolle, die Beseitigung von Begleitstörungen sowie der Abbau von Sorgen, Ängsten, psychischen und sozialen Belastungen. Fachleute unterscheiden zwischen einer Standard-Urotherapie und einer speziellen Urotherapie.

Standard-Urotherapie gegen Einnässen

Die Standard-Urotherapie besteht aus verschiedenen Elementen. Eltern und Kind erhalten Unterstützung und Begleitung durch das therapeutische Team mit regelmäßigen Kontakten und Förderung der Motivation. Mit dieser Therapie sind 56 Prozent der Kinder mit Harninkontinenz innerhalb eines Jahres trocken.

  • Information und Entmystifizierung: Arzt oder Ärztin erklären dem Kind und seinen Eltern, wie die Blase normalerweise funktioniert und zu welchen Problemen es dabei kommen kann. Außerdem werden eventuell vorliegenden Begleitstörungen und mögliche Therapiekonzepte erläutert.

  • Wasserlassen (Miktionsverhalten): Das Kind wird angehalten, zu festgelegten Zeiten regelmäßig auf die Toilette zu gehen und ein Bewusstsein für die eigene Blase und Harndrang zu entwickeln.

  • Trinkverhalten und Ernährung: Das Kind lernt, über den Tag verteilt genug zu trinken und die Trinkmenge zum Abend hin zu reduzieren. Bewährt hat sich die "7-Becher-Regel": Dabei werden über den Tag verteilt sieben Becher (mit 150 bis 200 Milliliter Füllmenge) getrunken, die letzte Portion etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen. Mit entsprechenden Ernährungstipps wird einer eventuell vorliegenden Verstopfung entgegengewirkt.

  • Protokollsysteme: Durch eine kindgerechte Dokumentation (zum Beispiel mit einem "Sonnen-Kalender") wird die Aufmerksamkeit auf das Therapieziel gelenkt. Die Eltern können trockene Tage oder Nächte mit Lob verstärken, sollten an "Regentagen" aber auf keinen Fall schimpfen oder bestrafen.

  • Unterstützung und Begleitung durch das therapeutische Team mit regelmäßigen Kontakten und Förderung der Motivation

Spezielle Urotherapie

Abhängig von den individuellen Problemen der Betroffenen kommen auch folgende Methoden der speziellen Urotherapie bei Einnässen infrage:

  • Beckenbodentraining
  • Biofeedback
  • Elektrostimulation der Nerven im Sakralbereich (TENS)
  • Apparative Verhaltenstherapie (Alarmtherapie): Dabei wird das Kind über einen Weckapparat (Klingelhose) geweckt, sobald es einnässt – und dann angehalten, die Toilette aufzusuchen und die Blase zu entleeren. Meist dauert es 30 bis 50 Nächte, bis ein Erfolg sichtbar wird, danach bleiben etwa 40 bis 50 Prozent der Kinder trocken.

Medikamentöse Therapie beim Einnässen

Wenn die apparative Verhaltenstherapie nicht anschlägt oder der Leidensdruck so hoch ist, dass ein schneller Erfolg angestrebt wird, kann eine Behandlung mit Desmopressin für Abhilfe sorgen. Dieses synthetisch hergestellte Imitat des körpereigenen Hormons ADH drosselt die Urinproduktion in der Nacht. Das Mittel wird in Tablettenform vor dem Schlafengehen eingenommen und führt bei 70 Prozent der Kinder zu einer deutlichen Verringerung der Inkontinenzereignisse, 30 Prozent werden sogar komplett trocken.

Aufgrund seiner schnellen Wirkung ist Desmopressin gut geeignet, um damit beispielsweise Klassenfahrten oder Übernachtungen bei Freunden zu überbrücken, es sollte jedoch nicht länger als drei Monate am Stück eingenommen werden. Nach dem Absetzen erleiden viele Kinder einen Rückfall, das langsame Ausschleichen des Mittels kann die Rückfallquote senken.

Prognose bei Enuresis

Wenn ein Kind auch nach dem fünften Lebensjahr noch regelmäßig einnässt, sollten die Eltern sich unbedingt ärztliche Hilfe holen – obwohl es in vielen Fällen zu einer Spontanheilung kommt. Unbehandelt können jedoch Verhaltensprobleme beim Kind auftauchen. Sind die Ursachen für die Störung der Blasenentleerung bekannt, gilt die Prognose als gut – oft genügen schon wenige Maßnahmen, um das Einnässen in den Griff zu bekommen.

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