Vaginismus: Was ist das und welche Therapie hilft?
Vaginismus kann betroffene Frauen psychisch stark belasten. Welche Ursachen kommen in Betracht? Wie lässt sich Vaginismus behandeln? Und kann die Störung auch ohne Therapie wieder verschwinden?
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Im Überblick:
- Was ist Vaginismus?
- Häufigkeit
- Ursachen
- Symptome
- Diagnose
- Behandlung
- Komplikationen und Folgeerkankungen
- Vaginismus vorbeugen?
Was ist Vaginismus?
Vaginismus ist eine sexuelle Funktionsstörung bei Frauen, die sich durch ein reflexartiges und häufig auch schmerzhaftes Zusammenziehen der Vaginal- und Beckenbodenmuskulatur bei versuchter Penetration der Vagina äußert. Treten Vaginismus und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) kombiniert auf, lautet die Diagnose Genito-Pelvinen Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS).
Besteht ein Vaginismus von Geburt an, so liegt er in seiner primären Form vor; ist er durch negative Erfahrungen oder Traumata verursacht, sprechen Fachleute von sekundärem Vaginismus.
Wie häufig ist Vaginismus?
Da bislang keine einheitlichen Diagnosekriterien für Vaginismus existieren und viele betroffenen Frauen aus Scham gynäkologische Konsultationen meiden, gibt es dazu keine zuverlässigen Zahlen. Einzelnen Studien zufolge sind zwischen 0,4 und 6,8 Prozent aller Frauen von Vaginismus betroffen.
In der Lebensmitte scheint das Risiko für entsprechende sexuelle Funktionsstörungen am niedrigsten zu sein: In einer 2020 veröffentlichten repräsentativen Befragung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gaben 9,4 Prozent aller 18- bis 25-jährigen sexuell aktiven Frauen an, unter Verspannungen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zu leiden; in der Gruppe der 36- bis 45-Jährigen waren es 4,4 Prozent, mit der Menopause nahmen die Beschwerden wieder leicht zu (6,1 Prozent bei den 56- bis 65-Jährigen).
Vaginismus: Welche Ursachen gibt es?
Allgemein handelt es sich bei der plötzlichen Verkrampfung der Vaginal- und Beckenbodenmuskulatur um eine unbewusste Schutzreaktion des Körpers, die psychische und physische Auslöser haben kann.
Mögliche psychische Ursachen für Vaginismus sind zum Beispiel:
Angst vor Schmerzen oder Verletzungen durch Sex
Angst vor (dem ersten) Geschlechtsverkehr
Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft
die Annahme, der Penis des Partners sei zu groß für die Vagina
traumatische Erlebnisse (zum Beispiel sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, schmerzhafte gynäkologische Untersuchungen, Schwierigkeiten bei einer Geburt)
eine die Sexualität tabuisierende Erziehung
Probleme in der Partnerschaft/eine unbewusste Ablehnung des Partners
die Ablehnung bestimmter sexueller Praktiken oder von Sexualität im Allgemeinen
Aber auch körperliche Auslöser kommen als Ursache für den Vaginismus infrage, darunter:
Infektionen/Geschlechtskrankheiten
hormonelle Störungen/Veränderungen
Verletzungen/Narben (zum Beispiel durch eine Geburt)
anatomische Besonderheiten/Fehlbildungen der Vagina
chronische Unterleibserkrankungen (insbesondere Endometriose)
Funktionsstörungen der Beckenbodenmuskulatur
Häufig überlagern sich physische und psychische Ursachen: Beispielsweise können durch eine Infektion ausgelöste Schmerzen beim Geschlechtsverkehr Ängste vor weiteren sexuellen Kontakten erzeugen und einen Vaginismus begünstigen.
Mit welchen Symptomen geht Vaginismus einher?
Bei bestimmten Berührungen oder Dehnungen der Vagina oder dem versuchten Eindringen zieht sich die umgebende Muskulatur krampfartig zusammen, wodurch der Scheideneingang wie verschlossen wirkt. Diese muskuläre Anspannung geht häufig mit starken Schmerzen einher, deren Beschreibung von dumpf über pochend bis stechend reicht.
Lustvoller Geschlechtsverkehr ist so unmöglich; die meisten betroffenen Frauen können aber andere Möglichkeiten der sexuellen Stimulation genießen, bei denen keine vaginale Penetration stattfindet. Je nach Ausprägung eines Vaginismus können auch andere Objekte wie zum Beispiel
- gynäkologische Untersuchungsinstrumente,
- Finger,
- Tampons oder Menstruationstassen,
Scheidenkrämpfe oder unangenehme Empfindungen auslösen.
Vaginismus: Wie wird die Diagnose gestellt?
Geeignete Anlaufstelle bei entsprechenden Beschwerden ist die gynäkologische Praxis des Vertrauens. Im Rahmen der Anamnese geht es um körperliche und psychische Beschwerden, sexuelle Erfahrungen sowie Probleme in der Partnerschaft. Anschließend werden nach Möglichkeit und Absprache mit der betroffenen Frau behutsame Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluss über eventuell vorliegende körperliche Ursachen geben können (zum Beispiel Abtasten, Vaginalabstrich oder Ultraschall). Jeder Untersuchungsschritt sollte vorher genau abgesprochen und erklärt werden, um keine zusätzlichen Ängste zu schüren.
Da es bislang weder eine medizinisch-einheitliche Definition von Vaginismus noch spezielle Tests gibt, die die Funktionsstörung zweifelsfrei diagnostizieren, wird häufig von Gynäkolog*innen berichtet, die die Symptomatik nicht ernst nehmen. In einem solchen Fall ist es ratsam, die Praxis zu wechseln oder zusätzlich eine*n Sexualmediziner*in zurate zu ziehen, die*der sich speziell mit der Diagnostik, Therapie und Prävention sexueller Störungen und Erkrankungen befasst.
Therapie: Lässt sich Vaginismus behandeln?
Je früher eine Sexualstörung diagnostiziert und die Abwärtsspirale aus negativen Erfahrungen beim Geschlechtsverkehr und zunehmenden Ängsten unterbrochen wird, desto höher sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung. Von allein bessert sich ein Vaginismus in der Regel nicht.
Liegen organische Ursachen wie Infektionen, Narben oder Fehlbildungen zugrunde, so werden diese – so weit wie möglich – als Erstes behandelt. Bei traumatischen sexuellen Erfahrungen ist eine Psychotherapie nötig. Partnerschaftsprobleme sollten im Rahmen einer professionellen Paar- oder Sexualtherapie aufgearbeitet werden.
Durch eine (therapeutisch angeleiteten) Selbstbehandlung können betroffene Frauen versuchen, ihren Körper auf behutsame Art und Weise (wieder) an eine Penetration zu gewöhnen: Unterstützt durch Entspannungsübungen tasten sie sich mit ihren Händen – eventuell unter Zuhilfenahme eines Spiegels – nach und nach an ihre Vaginalöffnung heran. Später gelingt es vielen Frauen, sogenannte Dilatatoren in ihre Vagina einzuführen: medizinische Objekte in verschiedenen Größen (zum Beispiel spezielle Stäbe oder Kegel), die für kurze Zeit in der Vagina verbleiben, um die Vaginalmuskeln an den Druck zu gewöhnen. Ziel einer Dilatator-Behandlung ist es, den Reflex, der zur Verengung der Vaginalöffnung führt, nach und nach zu schwächen. Auf Wunsch kann der*die Sexualpartner*in in die Therapie integriert werden.
Viele betroffene Frauen gewinnen durch diese Art der Körpertherapie die Kontrolle über ihre Vagina (zurück) und entwickeln den Wunsch, (wieder) Geschlechtsverkehr zu haben. Die Behandlungsdauer ist hochgradig individuell und kann Wochen, Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen.
Die Therapie kann durch andere Behandlungsansätze unterstützt werden. Dazu zählen zum Beispiel:
- klassische Atem- und Entspannungstechniken (zum Beispiel Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga)
- eine Biofeedback-Therapie, bei der unbewusst ablaufende psychophysiologische Prozesse durch Messung wahrnehmbar gemacht werden
- Beckenbodentraining
Selbsthilfegruppen und -foren ermöglichen den – oft als befreiend empfundenen – Austausch mit anderen Betroffenen.
Welche Folgeerkrankungen sind möglich?
Meidet eine Frau aus Angst vor Schmerzen gynäkologische Untersuchungen, kann dies zur Verschleppung von Infektionen und anderen Unterleibserkrankungen führen.
Auf psychischer Ebene kann ein Vaginismus insbesondere Frauen, die in einer Beziehung leben, stark unter Druck setzen wodurch sich die Funktionsstörung oft weiter verstärkt. Scham, Schuldgefühle und ein geringes Selbstbewusstsein können die Folge sein. Zeigt der*die Partner*in kein Verständnis für die Beschwerden, können Konflikte entstehen. Viele betroffene Frauen leben aus diesem Grund lieber allein, wodurch Einsamkeitsgefühle und Depressionen begünstigt werden können. Auch ein Kinderwunsch kann vaginismusbedingt unerfüllt bleiben.
Lässt sich Vaginismus vorbeugen?
Um das Risiko organischer Auslöser zu reduzieren, können Frauen:
auf eine gute, aber sanfte Intimhygiene achten,
gynäkologische Beschwerden jeder Art so schnell wie möglich medizinisch abklären lassen,
gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahrnehmen,
beim Auftreten von Geburtsverletzungen Wert auf eine gründliche Behandlung und Nachsorge legen,
gezieltes Beckenbodentraining machen (vor allem nach Unterleibs-OPs und Geburten).
Auf psychischer Ebene ist es hilfreich,
den eigenen Körper/die eigenen Sexualorgane gut zu kennen,
sich bei Ängsten vor Geschlechtsverkehr/einer ungewollten Schwangerschaft der*dem behandelnden Gynäkologin*Gynäkologen anzuvertrauen,
Probleme in einer Partnerschaft offen anzusprechen und/oder sich dafür eine therapeutische Begleitung zu suchen,
negative sexuelle Erlebnisse/Missbrauch/Geburtstraumata mit professioneller therapeutischer Hilfe aufzuarbeiten.
Da allerdings viele emotionale Prozesse unbewusst ablaufen, ist ein zuverlässiger Schutz vor Vaginismus nicht möglich.
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