Schleudertrauma: Symptome und Folgeschäden nach einem Unfall
Bei einem Schleudertrauma handelt es sich um eine Weichteilverletzung im Bereich der Halswirbelsäule, die häufig durch einen Verkehrsunfall verursacht wird. Typisch sind Symptome wie ein steifer Hals, Kopf- und Nackenschmerzen. Wie wird das Schleudertrauma behandelt und sind Folgeschäden möglich?
- © Getty Images/Image Source
Kurzübersicht: Schleudertrauma
Definition: Bei einem Schleudertrauma werden Hals und Kopf durch einen Stoß nach hinten und vorne geschleudert. Infolge kommt es zu Verletzungen in der Region der Halswirbelsäule.
Symptome: Möglich sind Nackenschmerzen, die in Schulter oder Rücken ausstrahlen können, muskelkaterartige Verspannungen und häufig auch Kopfschmerzen und Schwindel. Die Symptome entwickeln sich meist mit Verzögerung einige Stunden später.
Ursachen: Auslöser sind oft Autounfälle oder Stürze beim Sport.
Diagnose: Ein Schleudertrauma wird anhand der berichteten Symptomatik und des Unfallhergangs festgestellt. Außerdem kommen häufig bildgebende Verfahren wie eine Röntgenuntersuchung zum Einsatz.
Therapie: Hilfe bieten unter anderem Schmerzmittel, Wärme- und Kälteanwendungen, Bewegungs- und Physiotherapie. Eine Ruhigstellung mit Halskrause ist in der Regel nicht erforderlich.
Wie lange krank? Eine Krankschreibung erfolgt in den meisten Fällen nicht länger als drei Wochen.
Folgen: Das Schleudertrauma heilt in den meisten Fällen innerhalb von vier Wochen von selbst aus. Bei 88 Prozent der Menschen sind die Nackenbeschwerden nach sechs Monaten komplett verschwunden.
Im Überblick:
Was ist ein Schleudertrauma?
Ein Schleudertrauma ist die häufigste Folge von Verkehrsunfällen in Deutschland. Bei seitlichen oder frontalen Aufprällen – etwa durch Zusammenstöße beim Sport oder einen Auffahrunfall – wirken erhebliche Beschleunigungskräfte auf den Kopf und die Halswirbelsäule (HWS) ein, gefolgt von enormen Bremskräften. Der Kopf wird durch den Stoß von hinten zuerst überstreckt und dann regelrecht nach vorne katapultiert, was die Halswirbelsäule extrem belastet und überdehnt und deshalb schädigt.
Durch diese peitschenartige Bewegung des Kopfes kommt es dabei schnell zu einer Verletzung der Weichteile im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Meist werden durch die starke Überstreckung "nur" Muskeln, Sehnen und Bänder verletzt, manchmal sind auch die knöchernen Strukturen der Wirbel betroffen.
Fachleute sprechen von einer Distorsion (Verrenkung) der Halswirbelsäule, kurz HWS-Distorsion, oder eben vom HWS-Schleudertrauma.
Weitere Bezeichnungen sind:
- Halswirbelsäulendistorsion
- HWS-Beschleunigungstrauma, HWS-BT
- HWS-Zerrung
- Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule
- Peitschenschlagsyndrom
Nackenschmerzen und Verspannungen: Symptome beim Schleudertrauma
Meist vergehen nach dem Unfall einige Stunden bis Tage, bis sich die Symptome in ihrer vollen Ausprägung zeigen. Bei einer Halswirbelsäulendistorsion können verschiedene Symptome, welche Halswirbelsäule, Kopf und Nacken betreffen, in individuell unterschiedlicher Stärke auftreten.
Am häufigsten kommt es dabei zu einem typischen Symptomenkomplex, bestehend aus Nackenschmerzen, die in Schulter oder auch Rücken ausstrahlen, muskelkaterartigen Verspannungen und einem steifen Nacken. Ausgelöst werden die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen durch das entzündete Bindegewebe und kleinste Faserrisse in Muskeln und Bändern.
Kopfschmerzen, die häufig begleitend auftreten, entstehen meist aufgrund der Muskelverspannungen im Nacken. Sie können aber auch ein Hinweis auf eine Gehirnerschütterung sein, vor allem wenn sie direkt nach dem Unfall auftreten, sehr heftig sind und von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. In diesem Fall sollte unbedingt eine möglichst schnelle neurologische Abklärung erfolgen.
Weitere mögliche Symptome sind:
- Schwindel
- Übelkeit
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Sehstörungen
- Hörstörungen
- Tinnitus
- Konzentrationsstörungen
- Gedächtnisstörungen
- Schluckstörungen (Dysphagie)
- Schmerzen in den Kiefergelenken
- Empfindungsstörungen (Parästhesien) in Armen oder Händen
Treten Empfindungsstörungen auf, kann dies ein Hinweis auf Nervenschäden, Bandscheibenprobleme oder Knochenbrüche sein. Grundsätzlich können knöcherne Verletzungen wie Wirbelabsprengungen, Verengungen des Wirbelkanals oder Wirbelgleiten – verursacht durch eine Instabilität der Wirbelsäule – in Verbindung mit einem Schleudertrauma auftreten. Diese sind aber eher selten, ebenso wie Verletzungen des Nervengewebes (nervale Läsionen) etwa Zerrungen, Quetschungen oder Einengungen von Nerven.
Ursachen: Wie entsteht ein Schleudertrauma?
Auslöser eines Schleudertraumas ist eine Beschleunigung über das normale, physiologisch kompensierbare Maß hinaus, die plötzlich und unerwartet von außen einwirkt. Innerhalb kürzester Zeit kommt es nach der extremen Beschleunigung (Akzeleration) zum abrupten Abbremsen (Dezeleration). Dabei gibt es jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Schwere des Aufpralls und den späteren Beschwerden: Was bei einer Person zu einem Schleudertrauma führt, muss bei einer anderen Person nicht dieselben Probleme hervorrufen.
Besonders stark sind die Beschleunigungskräfte bei einem Auffahrunfall von hinten auf das Heck eines Fahrzeugs. Es reichen schon recht geringe Geschwindigkeiten beim Aufprall aus, um die Hals-Nacken-Muskulatur und den Halteapparat aus Sehnen und Bändern in Mitleidenschaft zu ziehen. Auch bei Sport- und Freizeitunfällen oder Stürzen kann es zu einem Schleudertrauma kommen. Sportarten, bei denen es häufig zu entsprechenden Verletzungen kommt, sind:
- Snowboarden und Skifahren
- Eislaufen
- Kampfsport
- Tauchen
Risikofaktoren: Vorschädigungen erhöhen die Gefahr
Neben dem Unfall selbst spielen einige Risikofaktoren bei der Entstehung eines Schleudertraumas eine Rolle. So tritt eine HWS-Distorision häufiger bei älteren Personen und Frauen auf sowie bei Menschen, die schon vor dem Vorfall mit Nackenproblemen zu kämpfen hatten.
Wenn direkt nach dem Aufprall starke Schmerzen auftreten, ist das Risiko für ein Schleudertrauma ebenfalls erhöht. Weitere Risikofaktoren sind psychische Vorerkrankungen sowie rechtliche Streitigkeiten zum Unfallhergang und Schmerzensgeld.
Diagnose des Schleudertraumas und Einteilung in Schweregrade
Bei Verdacht auf ein Schleudertrauma nach einem Auto- oder Sportunfall ist es ratsam, die Unfallfolgen ärztlich abklären zu lassen. Für die Diagnose relevant sind Informationen zu
- dem Unfallhergang,
- den Symptomen und
- bestehenden Vorerkrankungen.
Daraus lässt sich meist schon die Diagnose Halswirbelsäulendistorsion stellen. In manchen Fällen werden jedoch auch bildgebende Verfahren, wie eine Röntgenuntersuchung, eine Computertomografie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) notwendig. So können mögliche Knochenbrüche abgeklärt werden. Ein Hörtest wird bei Tinnitusbeschwerden durchgeführt. Werden Nervenschäden vermutet, kann eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) veranlasst werden.
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der Verletzungen ist wichtig, um die Gefahr zu vermindern, dass das Schleudertrauma chronisch wird. Dabei hilft auch die Einteilung in verschiedene Schweregrade.
Einteilung nach möglichen Störungen: vier Schweregrade bei HWS-Distorsion
Fachleute teilen das Schleudertrauma je nach Anzahl und Ausprägung der Beschwerden in vier verschiedene Grade ein (Schleudertrauma Schweregrad 0 bis IV). Als Grundlage für die Einstufung dient die Klassifikation der Quebec Task Force (QTF):
Schweregrad | Symptome |
0 | Keine Beschwerden der Halswirbelsäule, keine Ausfallerscheinungen |
I | Nur Beschwerden der Halswirbelsäule, zum Beispiel:
|
II | Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:
|
III | Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:
|
IV | Beschwerden der Halswirbelsäule wie bei Schweregrad I plus:
|
Die Mehrzahl aller Schleudertraumata (90 bis 95 Prozent) entsprechen den Schweregraden 0 bis II.
Diagnosemethoden bei anhaltenden Symptomen
In manchen Fällen bleiben die Probleme noch lange nach dem Unfall bestehen. In solchen Fällen erfolgen weitere Untersuchungen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. So wird etwa erneut ein MRT durchgeführt, wenn die Schmerzen über einen Zeitraum von vier Wochen anhalten und unerklärlich sind.
Außerdem werden psychische Belastung und Stresssymptome anhand eines standardisierten Fragebogens abgeklärt. So können Ärzt*innen herausfinden, ob die anhaltenden Schmerzen psychisch bedingt sind.
Therapie: Wie wird ein Schleudertrauma behandelt?
Ein HWS-Schleudertrauma lässt sich fast immer konservativ, also ohne Operation, behandeln. Hierfür kommen zunächst verschiedene Schmerzmittel zum Einsatz, die auch gegen die Entzündung in Sehnen und Muskeln helfen. Verschrieben werden vor allem sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), zum Beispiel
- Ibuprofen
- Naproxen
- oder Diclofenac.
Auch Paracetamol wirkt schmerzlindernd. Die Schmerzmittel sollten aber nur nach ärztlicher Absprache und nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.
Bei chronischen Schmerzen setzen Ärzt*innen auch Lidocain ein. Das örtliche Betäubungsmittel wird in den Muskel injiziert. Daneben kommen muskelentspannende Medikamente (Muskelrelaxantien) zum Einsatz, beispielsweise Tetrazepam. Einige Antidepressiva wirken ebenfalls schmerzlindernd, zum Beispiel Amitriptylin. Sie werden auch eingesetzt, wenn die Nackenschmerzen chronisch werden.
Ruhigstellen oder Bewegen?
Nach dem Schleudertrauma sollte der Hals zunächst einige Tage ruhiggestellt werde. Dabei können kühlende Kompressen helfen, Entzündungen einzudämmen. Danach sollte der Nackenbereich jedoch zunehmend mobilisiert werden, etwa mit Bewegungstherapie und leichten Bewegungsübungen oder Gymnastik für zu Hause.
Wärmeanwendungen unterstützen dabei, Verspannungen zu lösen. Massagen fördern die Durchblutung. Gezielte Physiotherapie wird insbesondere bei einer Schädigung von Nerven empfohlen. Eine Halskrause halten Fachleute hingegen für nicht ratsam: Sie kann die Heilungsdauer verlängern und eine Chronifizierung fördern. Eine Ausnahme stellt hierbei ein sehr instabiler Kopf-Hals-Bereich dar.
Schleudertrauma Hausmittel – das kann man selbst tun
In der akuten Phase der Schmerzen kann man mit einfachen Hausmitteln oft eine gute Schmerzreduktion und damit Entspannung bewirken, beispielsweise mit:
- Auflagen mit Wärmflasche oder warmem Kirschkernkissen
- Wärmepflaster
- Kälteanwendungen (Cold-Pack)
- Salben mit durchblutungsförderndem und wärmendem Capsaicin
Kälte ist nach den ersten Tagen eher kontraproduktiv, dann hilft Wärme besser. Zu Beginn kann Wärme jedoch die Entzündung verschlimmern.
Psychotherapie bei Schleudertrauma
Bei Betroffenen mit länger andauernden Beschwerden kann eine Psychotherapie helfen, zum Beispiel eine Verhaltenstherapie. Dabei versuchen Therapeut*innen, negative Denkmuster und Verhaltensweisen abzubauen und durch positive zu ersetzen. Auch wird versucht, Ängste und Stress nach dem Unfall zu reduzieren, beziehungsweise einen geeigneten Umgang damit zu finden.
Krankschreibung bei Schleudertrauma: Nicht länger als nötig
Eine Krankschreibung länger als drei Wochen ist bei einem Schleudertrauma normalerweise nicht nötig. Eine Ausnahme stellen selbstverständlich Verletzungen der Nerven, Bandscheiben oder Halswirbelknochen dar. Studien haben gezeigt, dass eine möglichst baldige Rückkehr in den Alltag und eine schnelle Wiederaufnahme der normalen Lebensgewohnheiten die Heilung beschleunigt und einer Chronifizierung entgegenwirkt.
Verlauf, Heilungschancen und Dauer eines Schleudertraumas
Das Schleudertrauma verläuft in den meisten Fällen harmlos und die Symptome klingen innerhalb von vier Wochen ab – und zwar weitgehend unabhängig vom anfänglichen Schweregrad und der Stärke der Beschwerden. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Verhalten der behandelnden Ärzt*innen sowie auch die Eigeninitiative der Betroffenen.
Als positiv für eine schnelle Heilung haben sich erwiesen:
gute ärztliche Aufklärung darüber, dass die Symptome normalerweise ohne Komplikationen vollständig ausheilen
kurze Krankschreibung
baldige Mobilisation
frühzeitige konservative aktivierende Behandlung, beispielsweise mit Physiotherapie
Häufigste Komplikation: die chronische Schleudertrauma-Krankheit
Das Schleudertrauma kann chronisch verlaufen: Bei rund zwölf Prozent der Patient*innen bleiben die Symptome länger als sechs Monate bestehen. Besonders gefährdet sind hierbei Menschen mit einer negativen Grundeinstellung, psychischen Erkrankungen und Personen, die schon vor dem Unfall häufiger zu Nacken- und Kopfschmerzen neigten. Auch das individuelle Krankheitserleben, die Krankheitsverarbeitung, persönliche Schmerzempfindlichkeit und Fähigkeit zur Schmerzbewältigung spielen eine Rolle.
Behandelt wird das chronische Schleudertrauma meist mit verschiedenen Ansätzen wie:
- Psychotherapie
- Antidepressiva
- Physiotherapie
- Angeboten zur Stressverarbeitung
- Koordinationsübungen
Schleudertrauma vorbeugen mit Kopfstütze und Airbags
Einer der wichtigsten Aspekte zum Schutz vor HWS-Distorsionen ist eine korrekt eingestellte Kopfstütze im PKW. Crashtests von Seiten der Automobilhersteller oder des ADAC haben ergeben, dass sie einen erheblichen Anteil bei der Vermeidung und Milderung von Schäden bei Auffahrunfällen hat.
Nach Empfehlungen sollte die Kopfstütze nicht mehr als zwei bis vier Zentimeter vom Kopf entfernt sein. Wichtig ist auch, dass sie nicht zu hoch eingestellt ist, da der Kopf ansonsten bei einem Stoß von hinten weit zurückgeschleudert werden kann. Sicherheitsgurte, Airbags und Seitenairbags schwächen einwirkende Kräfte zusätzlich ab und verhindern, dass der Kopf hart aufprallt.
Allgemein bietet eine gut trainierte Rücken- und Nackenmuskulatur einen gewissen Schutz vor Verletzungen wie einem Schleudertrauma. Gerade bei Sportarten, die mit einem erhöhten Risiko für Verletzungen im Hals- und Nackenbereich einhergehen – etwa Klettern, Reiten oder Rennsport – sollte auf entsprechenden Muskelaufbau geachtet werden. Unnötige Belastungen für die Halswirbelsäule wie absichtliche Auffahrmanöver beim Autoscooter-Fahren sind hingegen möglichst zu vermeiden.
Sie möchten Informationen zu bestimmten Krankheitssymptomen oder wollen medizinischen Rat? Hier können Sie Ihre Fragen an unsere Experten oder andere Lifeline-Nutzer stellen!