Knochenerweichung

Rachitis: Vitamin-D-Mangel schädigt Knochen

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Ein starker Vitamin-D-Mangel kann bei Babys und Kleinkindern zu einer Erweichung der Knochen, der Rachitis, führen. Wie es zu dieser Mangelerkrankung kommt und wie der Bedarf an Vitamin D gedeckt werden kann.

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@iStock.com/Cameravit

Früher war Rachitis eine häufige Mangelerkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern. Heute ist die Rachitis aufgrund der allgemein üblichen Vitamin-D-Prophylaxe bei Säuglingen im ersten Lebensjahr selten geworden. Jährlich treten noch etwa 400 Fälle in Deutschland auf, die meisten betroffenen Säuglinge und Kinder sind dunkelhäutig.

Menschen mit dunkler Haut benötigen für eine ausreichende Vitamin-D-Bildung eine 10- bis 50-fach höhere UV-Strahlung als hellhäutige. Laut einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts von 2016 sind nach wie vor viele Kinder mit Vitamin D unterversorgt. Dem Bericht zufolge leiden in Deutschland etwa 30 Prozent der dunkelhäutigen Kinder an Vitamin-D-Mangel und 17 Prozent der hellhäutigen Kinder.

Artikelinhalte im Überblick:

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Was ist Rachitis?

Durch eine Störung im Mineralstoffwechsel, meist verursacht durch einen massiven Vitamin-D-Mangel, kommt es zu einer Erweichung der Knochen. Typische Anzeichen sind Verbiegungen der langen Knochen, insbesondere O-Beine und aufgetriebene Rippen – der sogenannte rachitische Rosenkranz – sowie schlechte Zähne.

Die Vitaminmangelkrankheit Rachitis wurde im 17. Jahrhundert erstmals von dem englischen Arzt Francis Glisson beschrieben. Er hatte beobachtet, dass Babys, die kaum dem Tageslicht ausgesetzt waren, unter weichen und deformierten Knochen litten. Lange Zeit war das Krankheitsbild deshalb als "Englische Krankheit" bekannt.

Osteomalazie – Knochenerweichung bei Erwachsenen

Das Krankheitsbild ist nicht auf Kinder beschränkt, sondern kommt auch bei Erwachsenen vor. Nach abgeschlossenem Knochenwachstum sprechen Ärzte jedoch von Osteomalazie. Eine Osteomalazie kann mit schmerzhaften Knochenerweichungen einhergehen, die unter Umständen zu Verformungen und Knochenbrüchen führen können.

Ursachen: Wie kommt es zur Rachitis?

Eine Rachitis entsteht durch eine mangelhafte Mineralisierung der Knochen aufgrund einer Störung des Kalzium-Phosphat-Haushaltes. Kalzium und Phosphat sind die beiden wichtigsten Bausteine für starke, gesunde Knochen. Ihre Bereitstellung wird im Körper durch drei Botenstoffe geregelt: Parathormon, Calcitonin und Vitamin D. Das Sonnenvitamin Vitamin D sorgt dafür, dass Kalzium über den Darm aufgenommen wird. Gleichzeitig ist es für die Einlagerung der Mineralstoffe im Knochen und damit für die Verhärtung des Skeletts verantwortlich.

Kommt es zur Störung, entweder im Regelkreis des Vitamin-D-Haushaltes oder bei der Aufnahme von Kalzium oder Phosphat, kann dies zu einer mangelhaften Knochenbildung führen: Die Knochensubstanz bleibt weich und das Skelett erhält nicht seine erforderliche Stabilität. Bei Babys sind eine gute Vitamin-D-Versorgung sowie ein ausgeglichener Mineralstoffhaushalt besonders wichtig. Eine Mangelversorgung im ersten Lebensjahr kann in seltenen Fällen zu dauerhaften Schäden am Skelett führen.

Formen der Rachitis nach Ursachen

Ärzte unterscheiden aufgrund der Entstehung (Ätiologie) zwischen:

  • Vitamin-D-Mangel-Rachitis wegen zu wenig UV-Exposition, Mangelernährung oder fehlender Vitamin-D-Prophylaxe

  • Vitamin-D-Aufnahmestörungen durch Krankheiten wie Zöliakie oder Morbus Crohn

  • Stoffwechselstörungen der Leber oder Niere, beispielsweise bei Leberzirrhose oder chronischer Niereninsuffizienz

  • Vitamin-D-abhängige Rachitis oder Pseudomangelrachitis: Bei dieser erblich bedingten Form der Rachitis ist die Umwandlung vom inaktiven Vitamin D (Calciferol) in die biologisch aktive Form (Calcitriol) gestört.

  • Vitamin-D-unabhängige Rachitis: Ursache ist ein Phosphatmangel, der durch eine Nebennierenüberfunktion (Hyperparathyreoidismus), eine schwere Mangelernährung oder durch langzeitigen, starken Alkoholmissbrauch verursacht werden kann.

  • Hereditäre hypophosphatämische Rachitis: eine ebenfalls durch Phosphatmangel ausgelöste, vererbte Form der Rachitis. Es kommt zu einer vermehrten Phosphatausscheidung über die Nieren. Ärzte sprechen auch vom Phosphatdiabetes.

Hauptursache der Rachitis: Vitamin D-Mangel

Der Körper kann Vitamin D nur unzureichend über die Nahrung aufnehmen. Etwa 80 bis 90 Prozent des Bedarfes muss durch UV-Einstrahlung gebildet und über die Haut aufgenommen oder über Vitamin-D-Präparate gedeckt werden. Die natürliche Versorgung über UV-Licht kann in mitteleuropäischen Breitengraden nur bei ausreichender Sonneneinstrahlung im Sommerhalbjahr und bei weitgehend unbedeckter Haut gelingen. Bereits Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 15 reduzieren die Vitamin-D-Produktion um 99 Prozent.

Vitamin D kann im Muskel- und Fettgewebe über mehrere Monate gespeichert werden. Nur, wer im Sommer genug Vitamin D aufgenommen hat, ist auch für den Winter versorgt.

Risikogruppen: Wer leidet häufig unter Vitamin-D-Mangel?

  • Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kinder mit starker Hautpigmentierung.

  • Außerdem hellhäutige Kinder, die keine Vitamin-D-Prophylaxe bekommen. Die allgemein übliche Praxis, kleine Kinder nicht der direkten UV-Strahlung auszusetzen, ist im Sinne der Prävention von Hautkrebs zwar richtig, kann einen Vitamin-D-Mangel allerdings begünstigen.

  • Jugendliche, da während der Wachstumsphase der Vitamin D- und Kalziumbedarf besonders hoch sind.

  • Mädchen und Frauen, die aus religiösen Gründen verschleiert sind.

  • Ältere Menschen bei eingeschränkter Beweglichkeit und entsprechend wenigen Aufenthalten an der Sonne.

Symptome bei Rachitis durch Vitamin-D-Mangel

Die Symptome treten bei Säuglingen meist um den dritten Lebensmonat erstmals in Erscheinung. Mögliche Warnzeichen für eine Rachitis können sein:

  • Unruhe, schlechte Laune, Schreckhaftigkeit

  • Schwitzen am Hinterkopf, Hinterkopfglatze

  • Muskelschlaffheit, eingeschränkte Beweglichkeit

  • Verstopfung (Obstipation)

Im Verlauf kommt es dann zu den typischen Anzeichen der Knochenerweichung:

  • Skelettschmerzen

  • Verbiegung der langen Knochen, Achsenabweichungen im Knie

  • X-Beine oder O-Beine

  • eindrückbarer Schädel, Abflachung des Hinterkopfes (Quadratschädel)

  • aufgebogene Rippen, auch als rachitischer Rosenkranz bezeichnet

  • Deformierung des Brustkorbes (Glockenthorax, Trichterbrust) in extremen Fällen mit Einschränkung der Lungenfunktion

  • Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose)

  • Auftreibungen der Knorpel-Knochen-Grenzen

  • neuromuskuläre Störungen wie Krampfanfälle (Tetanie)

  • schlaffe Bauchmuskulatur (Froschbauch)

  • Zahnschmelzdefekte, Karies

  • Infektanfälligkeit

Rachitis-Diagnose anhand typischer Symptome

Die Diagnose einer Rachitis wird anhand der typischen Anzeichen und Symptome gestellt. Der Kinderarzt wird zunächst eine ausführliche körperliche Untersuchung durchführen. Mittels einer Blutuntersuchung wird die Form je nach Ursache der Rachitis eingegrenzt.

Eine Röntgenuntersuchung bestätigt die Diagnose und hilft, den Status der Knochenverformungen zu dokumentieren. Bei Kindern unter zwölf Monaten wird zur Bestätigung der Diagnose eine Röntgenaufnahme des Handgelenks herangezogen, bei älteren Kindern des Kniegelenks. Zusätzliche Röntgenaufnahmen können angeordnet werden, sofern sichtbare Verformungen oder Skelettschmerzen bestehen.

Therapie: Rachitis behandeln mit Vitamin D

Die wichtigste Therapiemaßnahme besteht in einer sofortigen Substitution von Sonnenvitamin. Die unterstützende Gabe von Kalzium ist unerlässlich, da Vitamin D nur bei ausreichender Kalziumversorgung den Knochen stärken kann. Darüber hinaus besteht bei hohen anfänglichen Vitamin-D-Gaben ohne Kalzium die Gefahr eines hypocalcämischen Krampfanfalls, der zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Krämpfen – vor allem im Gesicht und an den Extremitäten – führt.

Die empfohlene Dosierung bei Rachitis und Osteomalazie

  • Säuglinge im ersten Lebensjahr: zu Beginn 2.000 Einheiten (IU) Vitamin D3 und 40 bis 80 mg Kalzium je Kilogramm Körpergewicht über zwölf Wochen. Anschließend sollte bis zum Ende des ersten Lebensjahres eine Prophylaxe mit 500 IU Vitamin D3 täglich durchgeführt werden.

  • Kinder nach dem ersten Lebensjahr: anfänglich 3.000-6.000 IU Vitamin D3 und 500 mg Kalzium. In der Folge sollte für eine ausreichende Sonnenexposition, ausgewogene, vitaminreiche Ernährung und genügend Kalziumzufuhr gesorgt werden.

  • Jugendliche ab dem 13. Lebensjahr, Erwachsene und Senioren: 6.000 IU Vitamin D3 und 500-1.000 mg Kalzium. Vor allem bei Erwachsenen sollte nach einer auslösenden Grunderkrankung geforscht und diese, wenn möglich, behandelt werden.

Verlauf und Prognose der Rachitis

Bei rechtzeitiger und konsequenter Substitution von Vitamin D und Kalzium ist die Prognose einer Rachitis in der Regel sehr gut und die Beschwerden verschwinden meist innerhalb von zwei bis drei Monaten. Auch Fehlstellungen und Verbiegungen der Knochen bilden sich meist innerhalb eines Jahres wieder völlig zurück. In seltenen Fällen kann es länger dauern. Manchmal müssen Knochenschäden operativ korrigiert werden.

Eine mögliche Komplikation einer unbehandelten Rachitis oder Osteomalazie sind Knochenbrüche. Nach erfolgter Behandlung und Remineralisierung des Knochens heilen diese jedoch normalerweise aus.

Rachitis vorbeugen mit Vitamin-D-Präparat

Der Verband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt eine Vitamin-D-Prophylaxe mit mindestens 500 IU Vitamin D3 für alle Kinder im ersten Lebensjahr, sowie für Risikogruppen wie dunkelhäutige Kinder, Personen mit chronischen Erkrankungen und vollgestillte Säuglinge.

Eine britische Studie von 2013 zeigte, dass viele Schwangere unzureichend mit Vitamin D versorgt sind und Babys deshalb bereits unterversorgt ins Leben starten. Schwangere sollten sorgfältig auf eine gute Vitamin-D-Versorgung achten und gegebenenfalls nach ärztlicher Anweisung zusätzlich Vitamin-D-Tabletten einnehmen, da ein Mangel zu Schwangerschaftskomplikationen und beim Baby zu Muskelschwäche führen kann.

Für gesunde Kinder über einem Jahr und Erwachsene gilt aktuell keine offizielle Empfehlung zur prophylaktischen Einnahme von Vitamin-D-Supplementen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont allerdings, dass fast 60 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht optimal versorgt sind. Daher sollte der Vitamin-D-Status regelmäßig mittels Blutuntersuchungen beim Hausarzt überprüft und bei einem Mangel nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ausgeglichen werden.

Natürliche Prophylaxe durch Sonne und Ernährung

Vom Kleinkind bis zum Senioren gilt: Bewegung draußen bei schönem Wetter ist die beste Vitamin-D-Prophylaxe. Im Sommer reichen dazu kurze Sonnenbäder von etwa 15 bis 30 Minuten an Gesicht, Armen und Händen drei- bis viermal pro Woche, möglichst ohne Sonnenschutzmittel. Um die Sonnenbrandgefahr zu minimieren, sollte die Mittagszeit vermieden werden. Helle Haut benötigt dabei weniger UV-Einstrahlung für die gleiche Vitamin-D-Dosis als dunkle.

Im Winter sollte der Bedarf möglichst gut über die Ernährung abgedeckt werden. Veganer und vegetarisch lebende Menschen haben durchschnittlich einen geringeren Versorgungsstatus und sollten gegebenenfalls Vitamin D zuführen.

In welchen Lebensmitteln steckt Vitamin D?

Die wichtigsten, natürlichen Vitamin-D-Lieferanten sind – neben dem Sonnenlicht – tierische Lebensmittel wie Fisch, Fleisch und Eier. Am meisten Vitamin D steckt in:

  • fetten Seefischen wie Hering, Aal, Lachs und Thunfisch
  • Rinderleber und Hühnerleber
  • Milchprodukten wie Butter, Käse
  • Eiern (vor allem im Eigelb)
  • Hefe
  • Avocados
  • Pilzen (Steinpilze, Champignons)

Milch ist im Sommer ein guter Vitamin-D-Lieferant, sofern die Kühe draußen auf der Weide gehalten werden. Kuhmilch enthält dann bis zu zehnmal mehr Vitamin D als im Winter.

Kann man Vitamin D überdosieren?

Es ist nicht möglich, Vitamin D über die natürliche Nahrungsaufnahme oder Sonneneinstrahlung überzudosieren. Vorsicht ist bei langzeitiger Einnahmen von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln gegeben, da eine starke Überdosierung giftig wirken kann. Allerdings sind sich die Experten über die Grenzwerte und Auswirkungen uneinig.

Wichtig: Vor der Einnahme von Vitamin-D-Präparaten sollte am besten vom Arzt der Vitamin-D-Spiegel im Blut bestimmt werden und anschließend der Status einmal jährlich überprüft werden.

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