Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Symptome und Therapie
Extrem belastende Erlebnisse wie Missbrauch oder ein schwerer Unfall können zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. Betroffenen durchleben die traumatische Situation immer wieder. Erfahren Sie, was dabei helfen kann, die Erlebnisse zu bewältigen.
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In Deutschland haben etwa zwei bis sieben Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben eine PTBS. Die Erkrankung kann prinzipiell bei jedem Menschen auftreten, bestimmte Berufsgruppen wie Rettungskräfte sind jedoch häufiger betroffen. Auch Menschen in Kriegsgebieten leiden häufiger daran. Zudem erhalten Frauen die Diagnose etwa doppelt so oft wie Männer.
Artikelinhalte im Überblick:
Was ist eine PTBS?
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die infolge einer schweren traumatischen Erfahrung entsteht. Betroffene durchleben die Situation immer wieder mit extrem belastenden Wahrnehmungen, Gedanken, Vorstellungen, Albträumen und den entsprechenden Gefühlszuständen.
Nach der aktuellen internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10), dem wichtigsten weltweit anerkannten Diagnoseklassifikationssystem der Medizin, sind Traumata definiert als "kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen".
Schweres Trauma ist Ursache der PTBS
Die Ursachen einer posttraumatischen Belastungsstörung können erst einige Wochen, aber auch Monate oder Jahre zurückliegen. Manchmal werden diese zudem nicht mit den aktuellen Beschwerden in Erinnerung gebracht.
Mögliche Auslöser einer PTBS sind:
- sexueller oder emotionaler Missbrauch
- körperliche Gewalt, Krieg oder Terroranschläge
- Entführung
- Folter
- schwere Unfälle
- lebensbedrohliche Erkrankungen (zum Beispiel Herzinfarkt)
- Naturkatastrophen
Risikofaktoren für eine PTBS
Nicht jedes Trauma führt zu einer PTBS. Das Risiko hängt nach heutigem Kenntnisstand sowohl von der Schwere des Traumas als auch von der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur ab.
Ausschlaggebend ist zudem, wie die Betroffenen nach dem Trauma mit der Situation umgehen. Viele geben sich, obwohl sie zum Beispiel Opfer einer Gewalttat wurden, selbst die Schuld an der erlebten Situation, fühlen sich missverstanden und verlieren das Vertrauen in sich selbst und andere.
Eine mangelnde Unterstützung von Bezugspersonen (beispielsweise aus der Familie) nach einem traumatischen Erlebnis kann die Entstehung einer posttraumatischen Belastungsstörung begünstigen.
PTBS: Was passiert im Gehirn?
Die Vorgänge auf körperlicher Ebene bei einer PTBS sind mittlerweile ebenfalls gut untersucht. Demnach können auch verschiedene Gehirnregionen eine Rolle spielen.
Der Mandelkern (Amygdala), der vor allem die Emotion Angst steuert, scheint bei Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung überaktiv zu sein. Die Amygdala wird normalerweise in gefährlichen Situationen aktiv und setzt beispielsweise Fluchtreaktionen in Gang. Bei traumatisierten Menschen werden Stresshormone auch dann freigesetzt, wenn sie bestimmten Reizen ausgesetzt werden, die sie an das Trauma erinnern.
Gleichzeitig führt der entgleister Stresshormonspiegel vermutlich dazu, dass Informationen im Hippocampus, der für das Erinnerungsvermögen verantwortlich ist, unterdrückt werden. Als Folge kann es zu Gedächtnislücken kommen. Zudem wurde in Untersuchungen festgestellt, dass der Hippocampus bei PTBS-Patient*innen verkleinert ist. Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob dies bereits von Geburt an der Fall ist oder es erst durch die Erkrankung dazu kam.
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Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung
Charakteristisch für Betroffene einer posttraumatischen Belastungsstörung ist das ungewollte Sich-wieder-Erinnern in Form von Bildern, Geräuschen und lebhaften Eindrücken. Das kann sowohl im wachen Bewusstseinszustand als auch im Schlaf geschehen und bis zu einem subjektiv unerträglich erlebten Überflutungszustand führen.
Die Symptome, die laut Diagnoseschlüssel ICD-10 auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) hinweisen, sind:
Wiedererleben des Traumas: Bilder, Albträume, Flashbacks
Vegetative Überregtheit: Schlafstörungen, erhöhte Schreckhaftigkeit, vermehrte Reizbarkeit, Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen
Vermeidungsverhalten: Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden gemieden
Verdrängungs- oder Vermeidungsprozesse: Teilamnesie (Betroffenen erinnern sich nur teilweise an das Erlebte)
Emotionale Taubheit: allgemeiner Rückzug, Interessenverlust, innere Teilnahmslosigkeit, Gefühl der Abgestumpftheit und Betäubung
Bei Kindern können sich die Symptome zum Teil erheblich von denen bei Erwachsenen unterscheiden. Einige Kinder fangen beispielsweise wieder an, ins Bett zu nässen. Zudem ist die emotionale Taubheit meist stärker ausgeprägt. Sie glauben beispielsweise nicht mehr daran, dass es sich lohnt, die Schule abzuschließen.
Oft treten diese Symptome nur vorübergehend auf. Abhängig von der persönlichen Vorgeschichte sowie der Art und dem Ausmaß der Traumatisierung bleiben die Symptome bei einigen Betroffenen jedoch länger als einen Monat bestehen und es entwickelt sich eine chronische PTBS.
Begleiterkrankungen bei PTBS
Die posttraumatische Belastungsstörung ist meist mit weiteren Erkrankungen verknüpft. Die häufigsten Begleiterkrankungen und -symptome sind:
- Angststörungen
- Depressionen
- Medikamenten-, Alkohol- und Drogenmissbrauch
- Somatisierungsstörungen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung
Das Suizidrisiko von Personen mit PTBS ist höher als bei nichttraumatisierten Personen. Die Symptome beeinflussen auch das soziale Leben der Betroffenen. Folgen einer PTBS können Familien- und Partnerschaftsprobleme sowie Arbeitsprobleme sein.
Zudem scheinen Traumata ebenfalls die Aktivität einzelner Gene zu verändern, das heißt, sie führen zu sogenannten epigenetischen Veränderungen. Dabei kommt es zu einem Anbau von sogenannten Methylgruppen an bestimmte Stellen innerhalb der Erbsubstanz (DNA-Methylierung). Zudem können anderen Modifizierungen entstehen, die dauerhaft die Aktivität und Funktionsfähigkeit von Genen beeinflussen, was wiederum Einfluss auf die Funktionsweise neurobiologischer Systeme hat. Diese Veränderungen können vererbt werden.
Neben der mehr oder weniger bewussten Weitergabe von emotionalen Erfahrungen und zusätzlichen Lernprozessen könnte dieser Vorgang eine Erklärung dafür bieten, warum auch Kinder von Trauma-Opfern ein erhöhtes Risiko für PTBS und andere psychische Erkrankungen aufweisen.
Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung
Die Diagnose PTBS wird gestellt, wenn die Symptome mehr als vier Wochen bestehen. Halten sie länger als drei Monate an, handelt es sich um eine chronische PTBS.
Zur Diagnosestellung werden in der Regel standardisierte Fragebögen eingesetzt. Für Kleinkinder ab einem Jahr steht eine spezielle Untersuchungsmethode zur Verfügung, bei der die Eltern befragt und das Kind beobachtet wird.
Bei der Diagnosestellung ist die posttraumatische Belastungsstörung von der akuten Belastungsreaktion abzugrenzen. Diese wird diagnostiziert, wenn innerhalb des ersten Monats nach einem Trauma ein klinisch relevanter psychischer Leidenszustand auftritt. Zudem ist die akute Belastungssituation durch eine schockähnliche Symptomatik charakterisiert, bei der auch die bewusste Wahrnehmung beeinträchtigt sein kann. Normalerweise bildet sie sich unmittalbar nach dem Trauma zurück, sie kann aber auch in eine PTBS übergehen.
Weitere Störungen, die sich hinter der Symptomatik verbergen können, sind Persönlichkeitsstörungen wie das Borderline-Syndrom oder affektive Störungen wie Angststörungen oder Depressionen .
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Im Akutfall sind einfache Unterstützungsangebote sinnvoll. Maßnahmen der "Psychischen Ersten Hilfe" unmittelbar am Katastrophenort sind Schutz, Ruhe und das Gefühl der Sicherheit.
Traumatische Erinnerungen verarbeiten
Nach einem Trauma sollte möglichst rasch eine Traumabearbeitung durch entsprechend qualifizierte Psychotherapeut*innen erfolgen. Je nach Schwere des Traumas kann die Aufarbeitung dabei ambulant oder stationär (in Klinik oder Tagesklinik) erfolgen.
Auch das Eye Movement Desensitization and Reprocessing-Verfahren (EMDR) hat sich in Studien als wirkungsvolle Therapiemethode bei posttraumatischer Belastungsstörung bewährt. Dabei sollen traumatische Erinnerungen mit Unterstützung bestimmter Augenbewegungen leichter verarbeitet werden. Dies soll zu einer Synchronisation der Hirnhälften führen, die bei der posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Gleichgewicht sind.
Verhaltenstherapie
Nachweisbar gute Ergebnisse erzielt die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei erfolgt zur Aufarbeitung des Traumas eine dosierte Rekonfrontation mit dem auslösenden Ereignis unter geschützten therapeutischen Bedingungen. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Stabilität des Betroffenen und ein gutes vertrauensvolles Verhältnis zwischen Therapeut*in und Patient*in.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die psychodynamische Therapie mittels Psychoanalyse oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie. Auch mit Körpertherapie oder Kunsttherapie wurden bei gezielter Anwendung gute Ergebnisse erzielt. Ähnliches gilt für Gesprächstherapie, Hypnose oder psychodynamische Gruppentherapien.
Medikamente
Aufgrund der Komplexität der posttraumatischen Belastungsstörung empfiehlt sich in den meisten Fällen eine Kombination verschiedener Therapien und gegebenenfalls eine ergänzende medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka. Zum Beispiel können Antidepressiva dazu beitragen, das Gleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn wieder zu stabilisieren.
Prognose und Verlauf der PTBS
Wie schnell eine posttraumatische Belastungsstörung verarbeitet wird, ist unter anderem abhängig von der Schwere des Traumas, der Persönlichkeit und dem allgemeinen Gesundheitszustand von Betroffenen. Mit einer frühzeitigen Behandlung haben Menschen mit PTBS gute Chancen, die Folgen ihres Traumas zu überwinden – die Therapie dauert durchschnittlich eineinhalb Jahre. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen verschwinden die Beschwerden innerhalb eines Jahres auch ohne Behandlung.
Bei etwa 30 Prozent bestehen die Symptome allerdings noch nach zehn Jahren. Kommt es zu einem solchen chronischen Verlauf, sind die Folgen häufig anhaltende Persönlichkeitsveränderungen und Begleiterkrankungen wie Depressionen. Betroffene fühlen sich hilflos und vermeiden angstauslösende Situationen. Die Unterstützung des sozialen Umfeldes ist in diesen Fällen besonders wichtig, um soziale Isolation und möglichen Folgen wie Arbeitsplatzverlust oder Frührente entgegenzuwirken.
Psychologische Hilfe bei Traumata
Kommt es zu einem Trauma, sollte psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden, um eine PTBS zu vermeiden oder zumindest die Folgen zu minimieren. Auch das Gespräch mit Freunden und Bekannten kann dazu beitragen, ein Trauma besser bewältigen zu können. Hilfreich können auch Sport oder andere Entspannungstechniken sein wie beispielsweise autogenes Training oder Yoga.
Angehörige sollten Betroffenen vor allem gut zuhören und ihre Gefühle ernst nehmen. Werden Suizidgedanken geäußert, sollte sofort ärztliche Hilfe eingeschaltet werden. Zudem sollten Betroffene darin bestärkt werden, sich in therauptische Behandlung zu begeben.
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