Piriformis-Syndrom: Wenn ein Muskel im Gesäß den Ischias reizt
Wer unter einseitigen Gesäßschmerzen leidet, die manchmal bis ins Bein ausstrahlen, befürchtet oft einen Bandscheibenvorfall. Manchmal steckt jedoch das Piriformis-Syndrom dahinter: Dabei engt ein Gesäßmuskel den Ischiasnerv ein. Wie kommt es dazu und welche Behandlung hilft gegen das Piriformis-Syndrom?
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Kurzübersicht
Was ist das Piriformis-Syndrom? Wenn sich der Piriformis-Muskel im Gesäß verkürzt und verhärtet (Triggerpunkte) kann er auf den Ischiasnerv drücken und Schmerzen auslösen.
Ursachen: Eine Entzündungsreaktion im Muskel führt zu einer Engstelle im Bereich des Nervs. Auch intensives, aber einseitiges Krafttraining oder eine anatomische Besonderheit kann das Syndrom auslösen.
Symptome: Schmerzen, die bis in den Unterschenkel ausstrahlen können sowie Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle.
Therapie: Betroffene sollten möglichst wenig sitzen und eine Trainingspause einlegen. Außerdem können Physiotherapie, Stoßwellentherapie, lokale Schmerzmittel und Botox helfen.
Artikelinhalte im Überblick:
Was ist ein Piriformis-Syndrom?
Das Piriformis-Syndrom hat seinen Namen vom Musculus piriformis ("birnenförmiger Muskel"), der sich vom Kreuzbein am unteren Ende der Wirbelsäule durch das Becken bis zur Außenseite des Oberschenkelknochens erstreckt. Durch
- anatomische Besonderheiten,
- einen Unfall,
- langes Sitzen
- oder Überlastung
kann dieser Muskel sich verkürzen und verhärten (Triggerpunkte) – dann drückt er auf den darunterliegenden Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) und löst Schmerzen in Gesäß und Hüfte aus. Diese können bis ins Bein ausstrahlen und lassen daher manchmal den Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall aufkommen.
Das Piriformis-Syndrom tritt oft bei gut trainierten Menschen mit kräftiger, aber schlecht gedehnter Muskulatur auf. Frauen sind sechsmal so häufig betroffen wie Männer. Fachleute gehen davon aus, dass bis zu sechs Prozent aller Fälle von Ischiasbeschwerden auf ein Piriformis-Syndrom zurückzuführen sind.
Ursachen eines Piriformis-Syndroms
Die wahrscheinlich häufigste Ursache für die Entstehung eines Piriformis-Syndroms ist ein Trauma in der Hüft- oder Gesäßregion. Die anschließende Entzündungsreaktion führt zu einer Engstelle im Bereich der Nervenpassage. Ein solches Trauma kann durch einen Unfall oder Sturz ausgelöst werden, aber auch auf eine Überlastung zurückgehen. Auch langes Sitzen auf hartem Untergrund oder einer Geldbörse in der Gesäßtasche kann zu einer Einklemmung des Ischiasnervs führen.
In einigen Fällen ist ein intensives, aber einseitiges Krafttraining für die Entstehung eines Piriformis-Syndroms verantwortlich: In diesen Fällen wächst der Piriformis-Muskel so stark an, dass der Ischiasnerv nicht mehr genug Platz hat. Vor allem Ski- und Rennradfahrer sind davon betroffen.
In etwa 15 Prozent der Fälle steckt eine anatomische Besonderheit hinter dem Piriformis-Syndrom: Wenn der normalerweise an der Unterseite des Musculus piriformis verlaufende Ischiasnerv stattdessen durch den Muskel verläuft, erhöht sich das Risiko für die Entstehung eines Piriformis-Syndroms. Zirka vier Prozent der Menschen mittel- oder nordeuropäischer Abstammung weisen diese anatomische Variante auf.
Typische Beschwerden bei einem Piriformis-Syndrom
95 Prozent der Menschen mit Piriformis-Syndrom leiden unter Schmerzen in der Gesäßregion. Häufig treten die Schmerzen sowie Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle aber auch an anderen Stellen auf, beispielsweise an Hüfte, Steißbein, Oberschenkel, Leiste, Rektum oder Wade. Eher selten sind Beschwerden
- beim Stuhlgang,
- in Vulvalippen oder Hodensack,
- beim Geschlechtsverkehr (bei Frauen)
- oder beim morgendlichen Aufstehen.
Anders als bei einem Bandscheibenvorfall leiden Patient*innen nicht unter Rückenschmerzen.
Langes Sitzen oder Vornüberbeugen führt beim größten Teil der Betroffenen zu einer Verstärkung der Schmerzen. Wer unter einem Piriformis-Syndrom leidet, muss längere Autofahrten oft unterbrechen, um sich in der Hüfte zu strecken, bevor er weiterfahren kann.
Diagnose: So wird ein Piriformis-Syndrom festgestellt
Die Diagnose eines Piriformis-Syndroms beginnt meist mit einem ausführlichen Gespräch, in dem der*die Arzt*Ärztin die Vorgeschichte sowie die konkreten Symptome erfragt (Anamnese). Danach werden verschiedene Tests durchgeführt, um die Erkrankung von anderen Ursachen für die Beschwerden abzugrenzen. Menschen mit Piriformis-Syndrom
empfinden Druckschmerz beim Abtasten des Muskels
haben Schmerzen beim Beugen der Hüfte und bei der Innenrotation des betroffenen Beins
lagern das Bein zur Entlastung oft spontan nach außen
haben oft Schwierigkeiten, in Seitenlage das Bein anzuheben
zeigen (anders als bei einem Bandscheibenvorfall) keine Zeichen einer Nervenschädigung
weisen eine Verspannung in der seitlichen Beckenwand auf (die in einer vaginalen oder rektalen Untersuchung ertastet werden kann)
Bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) sind nur zum Ausschluss anderer Erkrankungen sinnvoll.
Behandlung: Wir wird ein Piriformis-Syndrom therapiert?
Erster und wichtigster Schritt zur Therapie eines Piriformis-Syndroms ist die Vermeidung von Körperhaltungen und Bewegungen, die den Schmerz auslösen. Betroffene sollten möglichst wenig sitzen und bei sitzender Tätigkeit alle 20 Minuten aufstehen und sich strecken. Für Sportler*innen empfiehlt sich möglicherweise eine Trainingspause, zumindest sollte die Trainingsintensität reduziert werden. Darüber hinaus sollte der Piriformis-Muskel mehrmals täglich gedehnt werden (Übungen siehe unten).
Parallel wird Physiotherapie empfohlen, bei starken Schmerzen verschreiben Fachleute zusätzlich Schmerzmittel. Auch Injektionen mit Lokalanästhetika oder Botulinumtoxin verschaffen Erleichterung. Möglich ist auch die Stoßwellentherapie: Der Muskel wird akustischen Druckwellen ausgesetzt, um die verspannte Muskulatur zu lockern und so Druck vom Nerv nehmen.
Wenn all diese Maßnahmen nichts helfen, wird in seltenen Fällen eine Operation durchgeführt. Dabei wird die Sehne des Piriformis-Muskels durchtrennt.
Verlauf und Prognose bei einem Piriformis-Syndrom
Wird das Piriformis-Syndrom frühzeitig mit Physiotherapie und Injektionen behandelt, ist die Prognose gut: Nach sechs Wochen sind die Beschwerden bei den meisten Betroffenen verschwunden. Sollte eine Operation erforderlich sein, können die sportlichen Aktivitäten nach zwei bis drei Monaten wieder aufgenommen werden.
Übungen gegen das Piriformis-Syndrom
Wer unter einem Piriformis-Syndrom leidet, sollte den betroffenen Muskel mehrmals täglich dehnen. Vor dem Dehnprogramm empfiehlt es sich, die Muskulatur mithilfe von Wärme zu lockern. Typische Dehnübungen für den Piriformis-Muskel (auf der rechten Seite) sind:
In Rückenlage Hüft- und Kniegelenk des rechten Beins beugen. Mit der linken Hand den Außenrand des rechten Fußes Richtung Schulter ziehen, gleichzeitig mit der rechten Hand das rechte Knie nach unten rechts drücken. Dabei sollte ein Dehnungsgefühl im seitlichen Gesäß auftreten. Danach die Seite wechseln und auch das linke Bein dehnen.
Mit gestreckten Beinen auf den Boden setzen. Dann das rechte Bein beugen und den Fuß außen neben das linke Knie stellen. Dabei das rechte Knie mit den Händen Richtung Rumpf ziehen. Auch hier müsste eine Dehnung in der Gesäßmuskulatur spürbar sein. Anschließend das andere Bein dehnen.
Seitenlage links auf einem Bett. Das untere Bein ist angewinkelt, das obere Bein ist gestreckt und hängt entspannt über die Bettkante. Nun das äußere Bein nach außen drehen und 10 bis 15 Sekunden so halten. Nach drei bis fünf Wiederholungen entspannt sich der Piriformis-Muskel.
Vorbeugung: So lässt sich ein Piriformis-Syndrom vermeiden
Wer einmal unter einem Piriformis-Syndrom gelitten hat, sollte die Dehnübungen auch nach Abklingen der Beschwerden regelmäßig durchführen. Da das Piriformis-Syndrom meist die Folge einer falschen oder übermäßigen Belastung beim Sport ist, sollten bei dessen Ausübung ein paar Punkte beachtet werden, um der Entstehung eines Piriformis-Syndroms vorzubeugen:
- Aufwärmen vor dem Sport
- Belastungen langsam steigern
- passendes Schuhwerk
Darüber hinaus sollte langes Sitzen im Alltag vermieden werden.
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