Psychische Erkrankung

Neurose – Wenn die Psyche verrückt spielt

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Eine Neurose ist eine seelische oder psychosozial bedingte Störung, für die sich keine körperliche Ursache finden lässt. Betroffen sind nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. Die klassische Therapie ist die Psychoanalyse.

Frau hält Handy in der Hand und schaut aus dem Fenster
© Getty Images/martin-dm

Eine Neurose beeinflusst das Verhalten und die Persönlichkeit, was Betroffene oft stark belastet. Nur noch der Volksmund spricht heute von einer Neurose. In der Medizin ordnen Fachleute die psychische Störung jetzt spezifischer ein, zum Beispiel als Angststörung, Zwangsstörung, Phobie oder depressive Störung.

Artikelinhalte im Überblick:

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Was ist eine Neurose?

Der englische Arzt William Cullen prägte 1776 das Wort Neurose, das sich von der griechischen Bezeichnung für Nerv "neuro" ableitet. Cullen verstand unter einer Neurose alle Krankheiten des Nervensystems. Erst im 20. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, dass es sich um seelisch bedingte Störungen ohne körperliche (organische) Ursache handelt. Wegbereiter für diese Erkenntnis waren auch die Veröffentlichungen des Psychoanalytikers Sigmund Freud. Bereits in der Kindheit kann sich die neurotische Störung entwickeln, meist tritt der Neurotizismus aber zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr in Erscheinung.

Sehr häufig ist die depressive Neurose gefolgt von Angstneurosen und Phobien. Letztere sind sehr starke, nicht rational begründbare Ängste vor bestimmten Situationen oder Objekten. Frauen leiden häufiger unter diesen Formen der Neurose als Männer. Umgekehrt sind Männer öfter von Herzneurosen betroffen, vor allem im dritten und vierten Lebensjahrzehnt.

Etwa drei Prozent der Bevölkerung hat eine Zwangsneurose, schätzen Fachleute. Hier lassen sich bei der Anzahl der Patient*innen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen ausmachen. Betroffene spüren den inneren Zwang, bestimmte, meist unsinnige, Handlungen ständig zu wiederholen oder diese nach einem immer gleichen Schema auszuführen. Menschen mit einer Zwangsneurose ordnen zum Beispiel aus einem inneren Drang heraus ihren Kleiderschrank nach einem festgelegten Prinzip oder nach Farben. Andere müssen sich permanent die Hände waschen.

Formen der Neurose – Depressionen, Ängste oder Zwänge?

Neurosen zählen zu den häufigsten seelischen Erkrankungen. Fachleute der Psychologie vermeiden aber den Begriff "Neurose" bei der Diagnosestellung nach Möglichkeit. Vielmehr sprechen sie differenzierter von Angststörung, Phobie oder Zwangsstörung – je nachdem, welche Form bei ihren Patient*innen vorliegt.

Depressive Neurose

Die depressive Neurose oder neurotische Depression beschreiben Fachleute als "leichte oder mittlere depressive Episode ohne somatisches Syndrom" oder als "Dysthymia".

Die Symptome einer depressiven Neurose sind:

  • Häufig schwankende depressive Symptome (zum Beispiel Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit)
  • Gefühl der Hilflosigkeit und der Hoffnungslosigkeit
  • Oft Angstsymptome wie Herzklopfen, schneller Puls, Angstschweiß, Heißhunger, Durchfälle, Zittern und beschleunigte Atmung
  • Einige Betroffene besitzen eine depressive Persönlichkeitsstruktur, sind selbstunsicher und leiden zusätzlich an Suchterkrankungen (Nikotin, Alkohol, Tabletten)

Angstneurose (Angststörung)

Angst ist eigentlich ein normales menschliches Gefühl, das vor Gefahren schützt und damit überlebenswichtig ist. Personen mit einer Angstneurose leiden aber an einer ängstlichen Stimmung, die über Monate andauern kann. Diese Angststörung ist mit einer Vielzahl von Symptomen verbunden, zum Beispiel:

  • Motorische Anspannung
  • Hyperaktivität
  • Nervosität
  • Unruhe mit Einschlafstörung
  • Magen-Darm-Probleme

An vielen Tagen machen sich Betroffene stundenlang übertriebene, intensive Sorgen darüber, dass ihnen oder ihren Angehörigen etwas zustoßen könnte (Unfälle, berufliche und finanzielle Probleme, Krankheit, Kriege, Terrorakte und Ähnliches). Auffallend bei der Angstneurose sind eine gewisse Beziehungslosigkeit und die (manchmal auch nur scheinbare) Distanz zu anderen. Häufig tritt gleichzeitig eine depressive Störung auf. Auch Ersatzbefriedigungen wie Rauchen, Trinken oder Essen sind bei der Angststörung häufig anzutreffen.

Davon unterscheidet sich die neurotische Angst: Sie ist zwar noch keine Neurose, kann sich aber zu einer weiterentwickeln, wenn sich Betroffene die eigenen Ängste nicht bewusst machen oder ihnen nicht aktiv entgegenwirken, indem sie den Angstauslöser beseitigen.

Phobien

Phobien sind übersteigerte, anhaltende und umschriebene Ängste vor bestimmten Objekten und Situationen, denen Betroffene aus dem Weg gehen. Bekannte Phobien sind Höhenangst, Angst vor engen und geschlossenen Räumen, weiten Plätze, Reisen, Alleinsein oder Tieren (beispielsweise Hunden, Spinnen oder Schlangen). Eine Sonderform ist die Soziale Phobie (auch Sozialphobie). Betroffene haben massive, irrationale Angst vor dem Kontakt zu Mitmenschen beziehungsweise vor Situationen, in denen andere sie prüfend beobachten, kritisch bewerten und negativ beurteilen könnten.

Zwangsneurose

Die Betroffenen leiden unter Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die massiv in den Alltag eingreifen, das Leben weitgehend bestimmen und einen hohen Leidensdruck verursachen. Denn die meisten Menschen mit Zwangsneurose empfinden die Zwangsgedanken und das zwanghafte Verhalten als äußerst quälend. Am häufigsten kommen bei Zwangsneurotikern Symptome vor, welche die Bereiche "Symmetrie/Ordnung", "Sammeln", "Kontamination/Reinigen" und "Aggression/Kontrolle" betreffen.

Die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen können so lebensbestimmend werden, dass Betroffene unter Umständen nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen können und zunehmend isoliert sind. Auch hat das Umfeld oft wenig Verständnis für die Zwangsgedanken und das zwanghafte Handeln. Zwangspatient*innen führen Rituale wie das Händewaschen so häufig aus, dass die Handlungen einen Großteil des Tages bestimmen. Auch unbewusstes Imponierverhalten, Aggressivität oder Ängstlichkeit können vorkommen. Bekannte Unterformen der Zwangsneurose sind die Kleptomanie (Zwang zum Stehlen) oder Kaufsucht. Die Betroffenen besitzen meist eine zwanghafte Persönlichkeitsstruktur, sind kontrollierend, penibel und übergenau.

Kleptomanie: Zwanghaftes Stehlen

© FUNKE Digital Video

Hysterische Neurose (Konversionsneurose)

Patient*innen mit einer hysterischen Neurose (Konversionsneurose) leiden an einem Konflikt, der sich im körperlichen Bereich manifestiert, wie bei der Herz- oder Magen-Neurose.

Häufige Symptome sind:

  • Verspannungen
  • Lähmungen
  • Ohnmachtsanfälle
  • Psychogene Taubheit, Blindheit oder Stummheit

Der Begriff "hysterisch", der sich aus dem griechischen Wort für Gebärmutter ableitet, wird heute nur noch selten verwendet. Er gilt als veraltet, da auch Männer unter den gleichen Symptomen leiden können. Auslöser einer hysterischen Neurose sind meist emotional belastende Situationen, die Betroffene an die eigenen Grenzen bringen. Nicht selten tritt diese Neurose zum Beispiel beim Beginn des Studiums oder der Arbeit, einer Schwangerschaft oder Hochzeit auf.

Herzneurose

Menschen mit einer Herzneurose glauben, sie litten an einer lebensbedrohlichen Herzerkrankung oder bekämen bald einen Herzinfarkt. Normale Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems wie einen schnellen Puls oder leichtes Herzrasen interpretieren sie als Alarmzeichen für einen drohenden Herzinfarkt. Diese Angst löst tatsächlich körperliche Reaktionen wie Herzrasen und Atemnot aus. Körperliche Symptome und Angstreaktionen schaukeln sich gegenseitig auf und können zu akuter Todesangst führen. Dass Herzspezialisten (Kardiologen) keine Auffälligkeiten finden, beruhigt Patient*innen mit einer Herzneurose nicht oder nur kurzzeitig. Häufig vermeiden sie bestimmte Verhaltensweisen und Situationen, was ihre Lebensqualität erheblich einschränkt.

Magenneurose

Betroffene glauben, an einer Magenerkrankung zu leiden und schildern Symptome wie Druckgefühl, Brennen, Appetitstörungen, Völlegefühl, Erbrechen und Übelkeit. Es gibt aber keine körperliche Erkrankung als Ursache der Beschwerden. Aus Angst vor neuen Magenschmerzen können sich die Symptome verstärken. Zudem schlägt die Angst auf den Magen. Viele Patient*innen mit einer Magenneurose vermeiden bestimmte Lebensmittel, manche verzichten auch vollkommen auf Nahrung. Dann kann eine Magenneurose lebensgefährlich werden.

Hypochondrische Neurose

Menschen mit einer Hypochondrie neigen zu ängstlicher, meist körperbezogener Selbstbeobachtung. Sie hegen die grundlose Befürchtung, an einer schweren Erkrankung zu leiden, beispielsweise an einem Herzinfarkt oder Krebs. In den vergangenen Jahren wurde der Begriff "Cyberchondrie" geprägt. Betroffene suchen im Internet nach Symptomen und finden so scheinbar oft die Bestätigung für ihre Vermutung, an einer ernsthaften Erkrankung zu leiden. Dies verstärkt die Ängste weiter. Auch eine ärztliche Untersuchung kann Menschen mit einer hypochondrischen Neurose diese meist nicht nehmen.

Persönlichkeitsstörung (früher Charakterneurose)

Eine Charakterneurose wird heute als Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Sie äußert sich weder durch eindeutige Symptome noch lässt sich eine konkrete Ursache oder ein Auslöser finden. Die Neurose ist in diesem Fall ein fester Bestandteil der Persönlichkeit. Im Zuge dieser Entwicklung sind das Erleben und Verhalten meist gestört, wobei Betroffene dies in der Regel selbst nicht erkennen. Der Übergang zwischen "normal" und "krank" ist fließend. Charakterneurosen lassen sich unterteilen in:

  • Schizoide Persönlichkeitsstörung: Schizoide Persönlichkeiten sind meist Einzelgänger*innen, welche die Gesellschaft meiden und nur wenige soziale Bindungen knüpfen. Gefühle können sie selbst nur schwer ausdrücken und bei anderen nur schwer interpretieren. Sie sind empfindlich, oft schnell verletzbar im Kontakt mit anderen und ziehen sich dann zurück. Gleichzeitig haben sie ein großes Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung.

  • Depressive Persönlichkeitsstörung: Betroffene möchten geliebt werden, suchen Nähe, Geborgenheit und Anerkennung. Häufig sind Abhängigkeitsbeziehungen, selten kommen Arroganz oder Aggressionen vor.

  • Zwanghafte Persönlichkeitsstörung: Betroffene Menschen haben eine Tendenz zu Kontrolle, Übergenauigkeit, Perfektionismus und Rechthaberei. Im Gegensatz zur Zwangsstörung müssen sie jedoch keine Zwangshandlungen ausüben.

  • Hysterische Persönlichkeitsstörung: Betroffene besitzen meist ein labiles Selbstwertgefühl, leben ohne "roten Faden", chaotisch, sind egozentrisch und haben häufig wechselnde Beziehungen. Sie sind sehr unterhaltsam aber auch anstrengend.

  • Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Auffällig bei der narzisstischen Form ist das instabile Selbstwertgefühl: Es verändert sich sehr schnell von ganz groß nach ganz gering – und wieder zurück. Vergleichbar ist das mit einem Luftballon, den man aufbläst und anschließend die Luft herauslässt.
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Von Stottern bis Ängstlichkeit: Neurosen äußern sich unterschiedlich

Eine Neurose kann Menschen treffen, die mitten im Leben stehen, aber auch Personen, die aufgrund seelischer Probleme bereits stark beeinträchtigt sind. Die Symptome sind sehr unterschiedlich und richten sich nach der Form der Erkrankung. Neurotiker*innen verhalten sich oft völlig unauffällig und zeigen nur in bestimmten Situationen Neurose-Symptome.

Folgende Anzeichen können bei Erwachsenen auf eine Neurose hindeuten:

  • Häufige Verstimmungen und Stimmungsschwankungen
  • Unsicherheit
  • Ängstlichkeit
  • Gehemmtheit, Hemmungen
  • Regression: Betroffene reagieren in problematischen Situationen nicht ihrem Alter entsprechend; sie zeigen Symptome der Hilfslosigkeit oder Angst.

Neurose-Symptome bei Kindern

Bei Kindern und Jugendlichen zeigen sich folgende Anzeichen:

  • Stottern
  • Einnässen, Einkoten
  • Essstörungen
  • Nägelkauen
  • Häufiges Weglaufen
  • Aggressivität oder überdurchschnittliches Anlehnungsbedürfnis

Bei Organneurosen, zum Beispiel der Herzneurose, lassen sich entsprechende körperliche Funktionsstörungen beobachten – in diesem Fall ist die Herzfunktion aufgrund der massiven Ängste beeinträchtigt. Die Organneurose kann aber auch die Funktion von Magen, Darm, Lunge oder Gelenken stören.

Konflikte und Defizite: Ursachen von Neurosen

Als Auslöser haben Psycholog*innen und Psychiater*innen verschiedene Faktoren ausgemacht. Sie sehen den Konflikt zwischen den eigenen Wünschen und Trieben und der Realität als Ursache an (Konfliktmodell). Der Neurotizismus kann aber auch auf erlerntes Verhalten (Lernmodell), persönliche Defizite (Defizitmodell) sowie Umwelteinflüsse und Vererbung zurückzuführen sein.

Wahrscheinlich müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit eine Neurose entsteht und ein Mensch neurotisch wird. Das Erkrankungsrisiko hängt auch von der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur ab, die wiederum ein Ergebnis von erblichen Anlagen, Umwelteinflüssen, Lernerfahrungen, emotionalen Erlebnissen und Konflikten ist. Zudem kann der individuelle Umgang mit Problemen und schwierigen Ereignissen das Risiko erhöhen.

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Konfliktmodell als Ursache

Die Psychoanalyse führt Neurosen auf bisher nicht gelöste Konflikte zurück, die Betroffenen meist nicht bewusst sind. Dabei liegen der Neurose immer zwei Mechanismen zugrunde: ein konflikthaftes Geschehen in der Kindheit und ein aktueller Konflikt, der die Erkrankung auslöst.

Sigmund Freud entwickelte zur Entstehung der Neurose das Strukturmodell der Psyche, das aus drei Elementen besteht:

  • "Ich" steht für das bewusste Denken, das Selbstbewusstsein.
  • "Es" repräsentiert die eigenen Wünsche, Triebe und Bedürfnisse.
  • "Über-Ich" symbolisiert gesellschaftliche Norm- und Wertvorstellungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens mehr oder weniger gut integriert und damit zum Teil des eigenen Selbst macht.

Bei neurotischen Menschen entwickelt sich der Theorie von Freud zufolge ein Konflikt zwischen den eigenen Wünschen und Trieben sowie der Realität oder den Forderungen des Über-Ichs. Dieses kann aufgrund besonderer Entwicklungsbedingungen zum Beispiel sehr streng angelegt sein.

Defizitmodell als Ursache

Das Defizitmodell geht davon aus, dass Betroffene in ihrer Persönlichkeitsentwicklung eingeschränkt wurden oder es sind, weshalb sie Defizite aufweisen. Eine Traumatisierung in der Vergangenheit, erbliche Faktoren und die erlebten Bindungen und Erfahrungen haben dazu geführt, dass die Beziehung zu anderen gestört ist. Das "Ich" kann zu schwach oder stark sein, als Kompensation können dann neurotische Symptome auftreten.

Schon leichte Stresssituationen rufen bei Betroffenen große Angst und ein Gefühl der Überforderung hervor. Die Angst kann auch in impulsives, aggressives Verhalten umschlagen. Ist die "Ich-Schwäche" sehr deutlich ausgeprägt, kann sie sich als eine narzisstische Störung oder Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) äußern. Diese Persönlichkeitsstörung liegt im Grenzbereich zwischen einer Neurose und Psychose – einer tiefgehenden psychischen Störung mit durch einen beeinträchtigten Selbst- und Realitätsbezug.

Lernmodell als Ursache einer Neurose

Neurosen lassen sich auch als erlerntes Verhalten interpretieren. Im Rahmen einer klassischen Konditionierung sind bestimmte Verhaltensmuster erlernbar, wenn sie durch Belohnung oder Bestrafung verstärkt werden. Die Grundlage für diese Überlegungen waren die Versuche des russischen Arztes Iwan Petrowitsch Pawlow. In einem Experiment verband er die Fütterung seiner Hunde mit einem Glockenton. Nach einigen Wiederholungen genügte schon der Glockenton, um die Speichelproduktion des Tieres anzuregen. Für den Hund waren von nun an Glockenton und Futter praktisch identisch. Auch bei Menschen kann es zu einer entsprechenden Konditionierung kommen.

Umwelteinflüsse und Vererbung

Vererbung spielt vermutlich ebenfalls eine Rolle für die Entstehung einer Neurose. So wissen Forschende aus Untersuchungen mit Zwillingen, dass bei eineiigen Zwillingen die gleichen neurotischen Symptome wesentlich häufiger zusammentreffen als bei zweieiigen Zwillingen. Bestimmte Charaktereigenschaften wie Temperament, Einfühlungsvermögen (Empathie), Triebhaftigkeit, Ängstlichkeit oder Antriebsschwäche sind vererbbar. Auch wenn Kinder in der Schwangerschaft unerwünscht waren oder Ablehnung innerhalb der Familie oder einer sozialen Gruppe erfuhren, könnte das Risiko für eine Neurose erhöht sein.

Wissenschaftler*innen diskutieren zudem sogenannte epigenetische Veränderungen. Dabei sorgen Umwelteinflüsse dafür, dass es in der Erbsubstanz (DNA) zu epigenetischen Veränderungen kommt. Diese beeinflussen die Aktivität und Funktionsfähigkeit von Genen und damit auch die Arbeit von Organen, Geweben und dem Gehirn.

Behandlung von Neurosen – Störungen erkennen und bearbeiten

Menschen mit einer Neurose benötigen – je nach Schwere der Symptome – eine Behandlung. Die klassische Therapie ist die Psychoanalyse, sie soll den zugrunde liegenden Konflikt bewusst machen. Im nächsten Schritt können Betroffene den Konflikt lösen, was eine Heilung ermöglicht.

Betroffene profitieren aber auch von anderen Verfahren, etwa einer kurzzeitigen Psychotherapie oder längerfristigen Therapien mit psychologischen Mitteln. In der Beziehung mit der*dem Therapeut*in können sie Konflikte zulassen, erleben und bearbeiten. Durch die neuen Beziehungserfahrungen verändert sich ihre innere Welt. Die wichtigsten Schritte sind: Erkennen – Bearbeiten – neue Erfahrungen – Integration – Wachstum.

Je nach individuellen Problemen und Ursachen der Neurose können die Psychoanalyse oder Hypnotherapie nach Erickson sinnvoll sein. Eingesetzt werden zudem die Verhaltenstherapie sowie personelle oder unterstützende Ansätze. Hilfreich für Patient*innen mit einer Neurose können auch die Musiktherapie, Ergotherapie, das Rollenspiel, Psychodrama und Gestalttherapie sowie spielerische Verfahren sein, vor allem bei Kindern. Viele Betroffene profitieren auch von Entspannungsmethoden. Dazu zählen Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Biofeedback oder Yoga.

Kann man Neurosen vorbeugen?

Neurosen lassen sich vermeiden, wenn die Erziehung, Gesundheit, eigene Persönlichkeit und die äußeren sozialen Umstände optimal sind. Betroffene können aber auch selbst dazu beitragen, um Neurosen zu lösen. Der erste Schritt ist, die einzelnen Zwänge und Illusionen zu erkennen. Was möchte ich wirklich und was hält mich davon ab? Im nächsten Schritt sollte versucht werden, diese Blockaden zu lösen.

Im Buchhandel oder Internet gibt es zahlreiche Ratgeber zu diesem Thema. Auch Gespräche mit dem eigenen sozialen Umfeld oder Entspannungsverfahren sind hilfreich, um die körperliche und seelische Balance wiederzufinden und mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Wer über einen längeren Zeitraum unter Ängsten, Zwängen oder Traurigkeit leidet, sollte keinesfalls zögern, sich Hilfe zu suchen. Erste Anlaufstelle ist die hausärztliche Praxis, in der Betroffene gegebenenfalls an eine*n Fachärztin*arzt überweisen werden.

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