Muskelschwund: Symptome und was gegen einen Verlust der Muskelmasse hilft
Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüftBei Muskelschwund nimmt die Muskelmasse ab – es können nur einzelne Muskelpartien oder der gesamte Körper betroffen sein. Die Ursachen liegen entweder im Nervensystem oder im Muskel selbst. Wie können Symptome gelindert und ein Fortschreiten der Muskelatrophie gebremst werden?
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Kurzübersicht: Muskelschwund
Definition: Muskelschwund bedeutet, dass die Muskelmasse eines Menschen abnimmt (Muskelatrophie). Ein Muskelschwund im Alter wird dagegen als Sarkopenie bezeichnet.
Folgen: In der Folge entsteht eine Muskelschwäche, welche unter anderem die Bewegungen und die Koordination beeinträchtigt.
Symptome: Je nach betroffenen Muskeln können die Symptome unterschiedlich sein. Zum Beispiel werden Gliedmaßen dünner, treten Gangunsicherheiten, Atembeschwerden oder Sprachstörungen auf.
Therapie: Häufig eingesetzt werden Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, um einen weiteren Muskelabbau zu verhindern. Hilfreich kann auch eine Ernährung mit ausreichend Eiweißen oder Krafttraining sein.
Artikelinhalte im Überblick:
Was bedeutet Muskelschwund?
Muskelschwund bedeutet, dass die Muskelmasse eines Menschen abnimmt (Muskelatrophie). Er kann nur einzelne Muskelpartien oder ganze Muskeln im gesamten Körper betreffen. Die Ursache für den Rückgang der Muskelmasse kann in anderen Organsystemen liegen, die mit der Muskulatur nichts zu tun haben. Finden die krankhaften Gewebeveränderungen dagegen unmittelbar in der Muskulatur statt, sprechen Fachleute von Muskelkrankheiten oder Myopathien.
Es gibt zwei Arten von Muskeln
quergestreifte Muskulatur: Dazu zählt die Skelettmuskulatur, beispielsweise die Arm- und Beinmuskeln sowie die Herzmuskulatur. Unter dem Mikroskop weisen diese Muskeln quer verlaufende Streifen auf. Die Skelettmuskulatur lässt sich willkürlich beeinflussen und steuern, sie ist an allen Bewegungen beteiligt. Das gilt aber nicht für den Herzmuskel, der autonom arbeitet. Der Muskelschwund betrifft immer die Skelettmuskulatur.
glatte Muskulatur: Bei diesen Muskeln fehlen die typischen Streifen. Die glatte Muskulatur lässt sich nicht willentlich steuern. Diese Art findet sich zum Beispiel in Hohlorganen wie dem Darm, den Blutgefäßen, Atemwegen, der Blase oder Gebärmutter.
Muskelschwund: Welche Symptome treten auf?
Zunächst hängen bei Muskelschwund die Symptome davon ab, welche Erkrankung der Muskelabnahme und Muskelschwäche zugrunde liegt. Auch spielt es eine Rolle, ob nur einzelne Muskelgruppen oder die Muskulatur im ganzen Körper vom Muskelschwund betroffen sind.
Häufige Symptome bei Muskelschwund:
Abnahme der Muskeldicke (z. B. dünnere Gliedmaßen)
Muskelschwäche (z. B. Probleme beim Treppensteigen oder Greifen von Dingen, Gangstörungen)
Knochenverformungen (etwa Wirbelsäulenverkrümmung, Hohlkreuz, Spitzfußhaltung)
Kau- und Schluckstörungen
Muskelzuckungen
verwaschene oder heißere Sprache
schlaffe Gesichtshälfte bei Störungen des Gesichtsnervs (Nervus facialis)
Schwierigkeiten, die Augen zu schließen oder herabhängendes Augenlid
Atembeschwerden bis hin zur Atemlähmung
paradoxe Atmung (beim Einatmen senken sich die Rippen, während sich der Bauch wölbt und umgekehrt)
Muskelschwund behandeln bedeutet Symptome lindern
In erster Linie richtet sich die Therapie bei Muskelschwund nach dem zugrunde liegenden Auslöser und den jeweiligen Beschwerden. Hinsichtlich der Ernährung ist es sinnvoll, genügend Proteine aufzunehmen, die beim Muskelaufbau notwendig sind. Auch Krafttraining kann bei körperlicher Inaktivität als Ursache den Muskelabbau stoppen.
Oftmals ist es jedoch nicht möglich, den Muskelschwund ursächlich zu behandeln, etwa wenn ein Gendefekt der Grund ist. Dann geht es darum, die Symptome zu lindern. Auch versuchen Ärzt*innen, das Fortschreiten des Muskelabbaus zu bremsen.
Physiotherapie und Ergotherapie gegen Muskelabbau
Die Physiotherapie (Krankengymnastik) zielt darauf ab, die Muskelfunktion zu erhalten und zu verbessern. Dabei werden zum Beispiel folgende Übungen eingesetzt:
Aktive Bewegungsübungen, die Patient*innen selbst trainieren und damit den Muskelaufbau fördern (Krafttraining)
Passive Bewegungsübungen, bei denen die*der Physiotherapeut*in zum Beispiel die Arme oder Beine bewegt, etwa um Fehlstellungen vorzubeugen
Atemübungen, welche die Atemmuskulatur gezielt kräftigen
Viele Erkrankungen, die zu Muskelschwund führen, schreiten mit der Zeit voran. Die Ergotherapie kann Betroffene dabei unterstützen, dass sie ihren Alltag möglichst lange selbstständig bestreiten können. In der Ergotherapie werden beispielsweise Übungen trainiert, um die Feinmotorik zu verbessern oder Ausweich- und Ersatzbewegungen zu üben, um die ausgefallenen motorischen Fähigkeiten zu kompensieren.
Logopädie bei Sprachstörungen
Bei Sprach- und Schluckstörungen ist eine logopädische Praxis die richtige Anlaufstelle. Hier können gezielte Übungen die Beschwerden oftmals lindern. Bei sehr ausgeprägten Schluckstörungen besteht die Gefahr, dass Nahrungsbestandteile in die Luftröhre gelangen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die Ernährung vorübergehend oder dauerhaft über eine Magensonde zu gewährleisten. Außerdem kann so einer Mangelernährung durch die Schluckbeschwerden vorgebeugt werden.
Psychotherapie als Unterstützung
Manche Krankheiten, die mit Muskelschwund einhergehen, verlaufen sehr schwer. Das Wissen um die Erkrankung und die Herausforderungen, die dadurch im Alltag entstehen, können für Patient*innen und Angehörige sehr belastend sein. Die Behandlung von Muskelschwund sollte deshalb immer auch das seelische Befinden im Blick haben. Eine psychotherapeutische Begleitung und Angebote von Selbsthilfegruppen unterstützen alle Beteiligten und können die Lebensqualität verbessern.
Ursachen für Muskelschwund sind vielfältig
Muskelschwund kann zahlreiche Ursachen haben. Relativ gut behandelbare Auslöser sind mangelnde Bewegung, Veränderungen im Stoffwechsel oder mangelhafte Ernährung. Hinsichtlich Erkrankungen lassen sich im Prinzip zwei große Gruppen unterscheiden, die dazu führen können, dass sich die Muskulatur zurückbildet.
Ursachen im Nervensystem
Die Ursachen für den Muskelschwund können in Erkrankungen des Nervensystems liegen, man spricht von neurogenen Ursachen. Das Nervensystem sorgt dafür, dass Bewegungen koordiniert ablaufen. Störungen im Bereich der Nerven können Bewegungsstörungen hervorrufen. Bekommt die Muskulatur über einen längeren Zeitraum keine elektrischen Impulse mehr, bildet sie sich zurück – es kommt zum Muskelschwund.
Auslöser eines neurogenen Muskelschwunds:
Verletzungen: Der Muskelschwund kann die Folge einer Verletzung im Bereich des Nervensystems sein, zum Beispiel bei einer Querschnittslähmung.
Spinale Muskelatrophie: Bei dieser erblich bedingten Erkrankung liegt die Störung meist im Rückenmark, manchmal auch im Gehirn. Spinale Muskelatrophien sind relativ selten: etwa zehn von 100.000 Neugeborenen sind davon betroffen.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Die Ursachen von ALS sind nicht vollständig geklärt. Auslöser können unter anderem erbliche oder infektiöse Faktoren sein.
Entzündungen und Infektionen: In manchen Fällen entsteht der Muskelschwund, weil Entzündungen oder Infektionen des Nervensystems die Reizweiterleitung stören.
Autoimmunkrankheiten: Hier greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen an. Bei manchen Autoimmunerkrankungen ist das Nervensystem das Angriffsziel.
Muskelerkrankungen als Auslöser
Auch Muskelerkrankungen können zu einem Muskelschwund führen. In der Regel führen Fehler im Erbgut zu Defekten in Muskelzellen oder einem Mangel von Proteinen der Muskeln. Diese Erkrankungen fallen unter den Oberbegriff der Muskeldystrophien.
Bei Kindern sind die Muskeldystrophie Duchenne sowie die Muskeldystrophie Becker häufige Formen. Bei Erwachsenen kommt die sogenannte Myotone Dystrophie Typ 1 (oder Morbus Curschmann-Steinert) häufiger vor.
Gentest bei Kinderwunsch
Manche Erbkrankheiten, die zu Muskelschwund führen, lassen sich durch Gentests nachweisen. Für Frauen mit Kinderwunsch, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, den Gendefekt an ihr Kind weiterzugeben, kann eine humangenetische Beratung sinnvoll sein.
Diagnose Muskelschwund sichern
Die Diagnose Muskelschwund ist nicht einfach, weil eine Vielzahl an Krankheiten als Ursache infrage kommen. Richtige Anlaufstelle bei Beschwerden ist in der Regel eine neurologische Praxis. In der Anamnese erkundigt sich die*der Ärztin*Arzt nach den individuellen Beschwerden und seit wann sie bestehen. Eine wichtige Rolle spielt, ob nahe Verwandte unter ähnlichen Symptomen leiden. Dies könnte ein Hinweis auf eine Erbkrankheit sein, die den Muskelschwund verursacht.
Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung werden auf sichtbare Veränderungen der Muskulatur geachtet, etwa auf besonders schmal wirkende Muskeln der Extremitäten, offensichtliche Lähmungen oder auffällige Fehlstellungen.
neurologische Untersuchung: Im Rahmen einer neurologischen Untersuchung werden die Leistungsfähigkeit und der Zustand von Gehirn und Nervensystem geprüft. Das beinhaltet einen Test von Gleichgewicht, Gangbild, Muskelkraft, Koordination, Motorik und Reflexen.
Elektromyographie (EMG): Sie ist ein sehr wichtiges Verfahren, um die Muskelaktivität zu bestimmen und eignet sich zur Diagnose einer Muskel- oder Nervenkrankheit. Sind die Muskeln und ihre versorgenden Nerven aktiv, entstehen elektrische Impulse, die sich per Computer aufzeichnen lassen.
Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Ein weiteres Untersuchungsverfahren zur Diagnose von Muskelschwund ist die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung. Hier wird gemessen, ob ein Nerv den elektrischen Impuls in normaler Geschwindigkeit auf den Muskel überträgt.
Blutuntersuchung: Mit einer Blutprobe werden die Menge des Enzyms Creatinkinase (CK) bestimmt. Dieses spielt vor allem im Muskelstoffwechsel eine Rolle. Ein erhöhter CK-Wert kann auf eine Muskelerkrankung hinweisen.
Gewebeprobe aus dem Muskel: Eine Biopsie kann Hinweise darauf liefern, ob das Problem in den Muskelzellen selbst liegt. Dabei werden im Rahmen eines kleinen chirurgischen Eingriffs ein Gewebestückchen aus dem Muskel entnommen und unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht.
Gentest: Bestimmte Erbkrankheiten, die zu Muskelschwund führen, lassen sich durch spezielle Gentests nachweisen. Dazu zählt zum Beispiel die Muskeldystrophie Duchenne.
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