Kaufen außer Kontrolle

Kaufsucht: Wenn Shopping krankhaft wird

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Ein Paar neue Schuhe, ein Pulli und noch ein Mixer: Betroffene mit Kaufsucht können ihr Kaufverhalten nicht mehr kontrollieren und haben daher viel mehr Dinge, als sie eigentlich benötigen. Auf Dauer kann das nicht nur zu psychischen und sozialen, sondern auch zu finanziellen Schwierigkeiten führen. Warum werden Menschen kaufsüchtig und wie lässt sich die Shoppingstörung behandeln?

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© Getty Images/shironosov

Etwa fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland gelten als gefährdet, eine Kaufsucht zu entwickeln. Wie viele Menschen tatsächlich an einer ausgeprägten Form des zwanghaften Kaufens leiden, ist nicht bekannt. Es wird allerdings von einer großen Dunkelziffer ausgegangen. Denn die Grenze zwischen "viel" und "zu viel" Shopping verläuft fließend.

Prinzipiell sind alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten gleichermaßen betroffen. Jüngere Menschen und Frauen entwickeln aber häufiger eine Kaufsucht.

Artikelinhalte im Überblick:

Sexsucht: Anzeichen und Folgen

Kaufsucht: Was versteht man darunter?

Bei einer Kaufsucht, in der medizinischen Fachsprache auch Oniomanie genannt, handelt es sich um eine psychische Störung, die durch eine ständige gedankliche Beschäftigung mit kaufbezogenen Themen und einem krankhaften (pathologischen) Kaufzwang gekennzeichnet ist. Betroffene verfallen immer wieder in einen Kaufrausch, um negative Gefühle zu verdrängen. Dabei haben sie ihr Kaufverhalten nicht mehr unter Kontrolle.

Bisher ist Kaufsucht keine eigenständige Krankheit. Sie wird wie die Handysucht oder Sexsucht zu den nicht stoffgebundenen Suchterkrankungen gezählt. Denn anders als etwa eine Alkohol- oder Drogensucht , die als stoffgebundene Süchte gelten, sind Betroffene nicht von einer bestimmten Substanz, sondern einer Tätigkeit abhängig.

In der Internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD-10, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegeben wird, ist die Kaufsucht nicht aufgeführt. Sie wird zu den Störungen der Impulskontrolle gerechnet. Einige Fachleute sehen in ihr allerding eher eine Form der Abhängigkeitserkrankung.

Typische Merkmale einer Kaufsucht

Wer gerne leidenschaftlich Shoppen geht, leidet nicht zwangsläufig an einer Kaufsucht. Folgende Anzeichen können aber ein Hinweis darauf sein, dass das Kaufverhalten über das normale Maß hinausgeht:

  • Intensives Kaufverlangen: Die Gedanken von Betroffenen kreisen ständig um das Thema Einkaufen. Sie bekommen regelrechte Entzugserscheinungen, beispielsweise in Form von Depressionen, wenn sie ihrer Sucht nicht nachkommen können. Sie müssen die "Dosis" steigern und immer öfter neue Dinge besorgen.

  • Kaufrausch: Vor dem Kaufen verspüren Betroffene typischerweise ein Gefühl der Erregung und währenddessen eine Art Erleichterung oder Euphorie. Das Kaufen wirkt wie ein Aufputschmittel. Es ermöglicht Betroffenen für kurze Zeit, aus dem als sinnlos empfunden Alltag auszubrechen.

  • Unnötige Einkäufe: Es werden Dinge gekauft, die Betroffene eigentlich gar nicht benötigen. Pakete bleiben oft verpackt, werden an nahe Bezugspersonen verschenkt, weggeräumt, vergessen oder sogar weggeworfen.

  • Belohnungscharakter: Anlass für Shoppingtouren sind oft emotionale Gründe, etwa schlechte Stimmung. Das Kaufen löst positive Gefühle (Anregung, Bestätigung, Anerkennung) aus und wirkt belohnend.

  • Negative Konsequenzen: Nach dem Kaufexzess weicht die Hochstimmung Scham- und Schuldgefühlen. Langfristig führt das übermäßige Shopping-Verhalten oft zu Streit mit dem*der Partner*in und/oder finanziellen Problemen, da mehr ausgegeben wird, als die finanziellen Mittel erlauben.

Das Spektrum des Verhaltens bei Kaufsucht ist breit gefächert: Es gibt Betroffene, die täglich einkaufen, andere neigen eher zu episodischen Kaufattacken. Einige Erkrankte favorisieren Kleidung, Schuhe oder Drogerieartikel, andere vor allem Bücher, Elektrogeräte oder sogar Lebensmittel. Darüber hinaus gibt es Menschen, die gerne Geschenke für nahestehende Personen kaufen, andere besorgen eher Dinge für sich selbst. Zudem unterscheiden sich die Vorlieben hinsichtlich des Kauferlebens: Während einige Kaufsüchtige bevorzugt anonym im Internet bestellen, genießen andere gerade den Aufenthalt in exklusiven Geschäften und die Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals.

Wie entsteht eine Kaufsucht?

Die Ursachen einer Kaufsucht können sehr verschieden sein. Zu den möglichen Erklärungen gehören:

  • Mangelndes Selbstwertgefühl: Minderwertigkeitskomplexe scheinen bei der Entstehung der Kaufsucht eine Rolle zu spielen.

  • Gestörte Impulskontrolle: Betroffenen können dem Drang zum Konsum nicht widerstehen – trotz guter Vorsätze.

  • Persönlichkeitsaspekte: Einige Fachleute gehen davon aus, dass auch spezifische Persönlichkeitsaspekte wie zum Beispiel Impulsivität oder Narzissmus eine Rolle spielen.

  • Fehlendes Verständnis für Geld: Viele Betroffene haben zudem den Umgang mit Geld nicht in ihrer Kindheit erlernt.

Darüber hinaus geht die Kaufsucht häufig mit anderen psychischen Erkrankungen wie dem Borderline-Syndrom, einer bipolaren Störung (manisch-depressiv) oder einer Binge-Eating-Störung einher.

Ursache einer Kaufsucht können zudem Medikamente sein. Studien haben gezeigt, dass Dopaminagonisten wie L-Dopa und COMT-Inhibitoren als Nebenwirkung Zwangsstörungen oder eine verminderte Impulskontrolle auslösen und somit eine Kaufsucht begünstigen können. Die Wirkstoffe, die beispielsweise beim Parkinson-Syndrom eingesetzt werden, stimulieren das Belohnungssystem.

Unmittelbare Auslöser für Kaufattacken

Konkret führen insbesondere negative Gefühlszustände dazu, dass Betroffene das Verlangen entwickeln, einkaufen zu müssen, etwa:

  • Stresssituationen
  • Traurigkeit (zum Beispiel aufgrund des Todes eines geliebten Menschen)
  • Ängste
  • Langweile
  • Konflikte

Kaufsucht im Internet

Immer mehr Menschen kaufen inzwischen häufiger im Internet ein. Dieser Trend zum Online-Shopping wurde nochmals durch die Covid-19-Pandemie verstärkt. Expert*innen zufolge verlagert sich demzufolge auch die Kaufsucht zunehmend ins Internet. Das liegt vor allem an folgenden Gründen:

  • Ständige Verfügbarkeit: Während Geschäfte nur bestimmte Öffnungszeiten haben, ist Shopping im Internet bequem und rund um die Uhr möglich.

  • Produktvielfalt: Onlinehändler bieten eine fast unbegrenzte Auswahl an Konsumgütern an.

  • Beschleunigter Recherche- und Kaufprozess: Ein Mausklick und Produkte liegen im Warenkorb. Beim Einkaufen im Internet können positive Glücksgefühle noch schneller erreicht werden. Durch personalisierte Werbeangebote ist der Rechercheaufwand für Süchtige noch geringer.

  • Einfaches Zahlen: Per Kreditkarte oder Nachzahlung: Beim Einkaufen im Internet müssen Zahlungen oft nicht sofort geleistet werden.

  • Anonymität: Menschen mit Kaufsucht können im Internet ganz ungestört und unbeobachtet einkaufen. So können sie das Suchtverhalten vor Angehörigen oftmals noch besser verheimlichen.

Mögliche Folgen einer Kaufsucht

Eine Kaufsucht führt häufig dazu, dass sich Betroffene verschulden, was sie zunächst versuchen, vor Freund*innen oder dem*der Partner*in zu verbergen. Die Schulden ziehen oft weitere Probleme nach sich: Einige Erkrankte rutschen in kriminelle Bereiche und werden straffällig. Durch die finanziellen Schwierigkeiten entstehen aber auch oft Konflikte im privaten Bereich, etwa wenn das Sparbuch der Kinder leergeräumt oder Geld aus der Urlaubskasse für die Einkäufe verwendet wird.

Das führt wiederum zu einem hohen Leidensdruck bei den Betroffenen. Sie wissen, dass sie etwas Falsches tun, können den Kaufzwang aber ohne Hilfe nicht überwinden.

Therapie bei Kaufsucht: Was hilft Betroffenen?

Zwangs- und Abhängigkeitserkrankungen sind umso besser behandelbar, je früher die Therapie beginnt. Gerade darin liegt jedoch ein großes Problem: Die Betroffenen betrachten sich lange Zeit nicht als behandlungsbedürftig. Schließlich ist Einkaufen per se keine Krankheit, sondern normal, die Grenze zwischen einem gelegentlichen Frustkauf und dem pathologischen Einkaufen verläuft fließend.

Zur Behandlung der Kaufsucht wird in der Regel eine Psychotherapie empfohlen. Hierbei hat sich vor allem die kognitiv-behaviorale Gruppentherapie bewährt: Sie zielt darauf ab, das pathologische Kaufverhalten zu unterbrechen und ein gesundes Kaufverhalten zu etablieren. In der Therapie lernen Betroffene:

  • Gedanken und negative Gefühle zu erkennen, die mit dem pathologischen Kaufen zusammenhängen,
  • gesunde Kommunikationsmuster zu entwickeln und
  • Techniken der Rückfallprävention anzuwenden.

Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen bei Kaufsucht

Gängige Anlaufstellen für Hilfesuchende sind Beratungsstellen der Suchthilfe sowie ambulant tätige Psychotherapeut*innen, die kognitive Verhaltenstherapien anbieten. Auch Universitäten und psychosomatische Kliniken bieten oft spezielle Sprechstunden für Erkrankte mit Suchtverhalten wie Videospielsucht, Glücksspielsucht oder eben Kaufsucht an.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) listet auf ihrer Webseite Suchtberatungsstellen in Deutschland. Hilfe und Unterstützung finden Betroffene darüber hinaus in Selbsthilfegruppen, von denen es inzwischen einige in Deutschland gibt.

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