Inkontinenz: Was tun bei Blasenschwäche?
Menschen mit Inkontinenz können die Ausscheidung von Urin nicht mehr oder nur unzureichend kontrollieren. Eine Blasenschwäche beeinträchtigt den Alltag von betroffenen Frauen und Männern oft sehr. Erfahren Sie, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, um die Kontrolle über die Blasenfunktion zu verbessern.
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Kurzübersicht: Häufige Fragen und Antworten
Was ist Harninkontinenz? Harninkontinenz, auch bekannt als Blasenschwäche, bezeichnet den unkontrollierten Verlust von Urin.
Was sind Ursachen für Inkontinenz? Inkontinenz geht oft auf eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur oder eine Schädigung des Bandhalteapparates zurück. Grund können etwa Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente sein.
Wie wird Inkontinenz diagnostiziert? Neben einer ausführlichen Befragung und einer körperlichen Untersuchung kommen weitere Verfahren wie eine Blasendruckmessung oder Blasenspiegelung zum Einsatz.
Wie kann Inkontinenz behandelt werden? Bei leichten Beschwerden sind mitunter Beckenbodenübungen oder Blasentrainings hilfreich. Alternativ kommt eine medikamentöse Therapie oder der Einsatz von Hilfsmitteln wie Binden infrage. In Einzelfällen ist auch eine Operation sinnvoll.
Artikelinhalte auf einen Blick:
Was ist eine Inkontinenz?
Harninkontinenz, auch Blasenschwäche genannt, meint den unwillkürlichen Verlust von Urin aufgrund verschiedener Erkrankungen im Bereich der Harnblase.
Noch immer handelt es sich bei Inkontinenz um ein Tabuthema, dabei sind schätzungsweise 10 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Die genaue Zahl dürfte noch viel höher sein. Denn da das Thema mit großer Scham besetzt ist, suchen sich viele Betroffene keine ärztliche Hilfe.
Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der inkontinenten Menschen. Aber auch jüngere Menschen können unter unwillkürlichem Harnabgang leiden. Frauen sind aufgrund der Anatomie und Physiologie des Beckens etwas häufiger betroffen als Männer.
Formen und Symptome der Inkontinenz
Harninkontinenz kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Dementsprechend teilen Fachleute Inkontinenz in verschiedene Formen ein:
Belastungsinkontinenz, Stressinkontinenz: Bei einer Belastungsinkontinenz (früher auch: Stressinkontinenz) ist der Schließmuskel der Harnröhre geschwächt. Der Urinverlust tritt bei körperlicher Belastung auf. Das kann beispielsweise beim Tragen oder Heben schwerer Gegenstände sein, aber auch Lachen, Niesen oder Husten können zum Urinverlust führen.
Dranginkontinenz: Die Dranginkontinenz (überaktive Blase) ist durch ständigen Harndrang und einen darauffolgenden, nicht unterdrückbaren Urinverlust gekennzeichnet. Die meisten Patient*innen verspüren einen Harndrang bereits bei geringer Blasenfüllung. Sie müssen ständig zur Toilette, manchmal sogar mehrmals pro Stunde.
Reflexinkontinenz: Wer von einer Reflexinkontinenz betroffen ist, spürt nicht mehr, ob die Blase voll oder leer ist. Eine Fehlsteuerung durch Nerven und/oder das Gehirn führen zu einer unkontrollierten und unvollständigen Blasenentleerung.
Überlaufinkontinenz: Der Druck in der Blase ist so groß, dass ihr Verschluss nicht mehr funktioniert. Bei der Überlaufinkontinenz kommt es zu einem tröpfchenweisen Verlust von Harn, ohne dass die Blase vollständig entleert wird.
Extraurethrale Blasenschwäche: Im Gegensatz zu den anderen Inkontinenzformen bei denen Urin über die Harnröhre ausgeschieden wird, nimmt der Urin den Weg über andere Ausgänge, beispielsweise der Vagina oder dem Darmausgang. Meist stecken sogenannte Urinfisteln, unnatürliche Gänge, dahinter. Die Folge ist ein ständiges unkontrolliertes Heraustropfen des Urins.
Auch eine Mischinkontinenz, eine Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz, kommt häufig vor.
Inkontinenz: Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen sind vielfältig und unterscheiden sich je nach Art der Inkontinenz. Häufig führen Erkrankungen im Urogenitaltrakt zu Harninkontinenz. Dazu gehören etwa
- Harnwegsentzündungen,
- Verengungen der Harnröhre oder
- Blasensteine.
Bei Männern kann eine Prostatavergrößerung eine Blasenschwäche verursachen. Lungenerkrankungen können das Risiko erhöhen, eine Belastungsinkontinenz zu entwickeln, da durch das ständige Husten der Beckenboden belastet wird.
Neurologische Erkrankungen, wie Multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder Morbus Parkinson sind hingegen mögliche Ursachen für eine überaktive Blase.
Weitere mögliche Gründe für Inkontinenz sind:
Medikamente: Die Einnahme bestimmter Arzneimittel kann das Risiko für eine Inkontinenz erhöhen. Betablocker oder Cholinesterase-Hemmer reizen beispielsweise die Blase und begünstigen eine Dranginkontinenz.
Hormonelle Umstellungen: Die Ursache bei einer Belastungsinkontinenz liegt häufig in einer schwachen Beckenbodenmuskulatur, die mit einer Schwangerschaft, einer Geburt oder hormonellen Umstellungen in den Wechseljahren zusammenhängen kann.
Operationen: Bei Männern ist eine Prostatektomie (operative Entnahme der Prostata) bei Prostatakrebs häufig Ursache von Harninkontinenz. Oft bessern sich die Beschwerden aber innerhalb weniger Wochen oder Monate nach der Operation wieder.
Psychische Ursachen: Auch die Psyche kann zu Inkontinenz führen. Beispielsweise können Nervosität, Stress oder Angst Harninkontinenzprobleme auslösen oder Beschwerden verstärken.
Risikofaktoren für Blasenschwäche
Ein wesentlicher Risikofaktor für Inkontinenz ist der natürliche Alterungsprozess. Im Laufe des Lebens verliert das Gewebe an Elastizität und der Halteapparat der Beckenorgane erschlafft. In der Folge kommt es zu einer Senkung des Beckenbodens und die natürliche Öffnung der Harnröhre wird aufgedehnt.
Weitere begünstigende Faktoren einer Blasenschwäche sind:
Übergewicht: Ein krankhaft erhöhtes Körpergewicht sorgt dafür, dass der Beckenboden erhöhtem Druck ausgesetzt ist.
Bewegungsmangel: Unzureichend Bewegung kann die Beckenmuskulatur schwächen und dadurch eine Blasenschwäche begünstigen.
Ungünstige Entleerungsgewohnheit: Wer beispielsweise zu oft zur Toilette geht, mindert dadurch die Blasenkapazität. Wer mit dem Toilettengang zu lange wartet, überdehnt die Blasenwand.
Heben schwerer Lasten: Häufiges Tragen und Heben von schweren Lasten kann den Beckenboden schädigen.
Eine familiäre Vorbelastung stellt ebenfalls ein Risiko für das Entstehen einer Blasenschwäche dar.
Inkontinenz: So erfolgt die Diagnose
Die Diagnose der Harninkontinenz beginnt mit einer ärztlichen Befragung (Anamnese). Von Intereesse sind etwa die Häufigkeit des Wasserlassens, Trinkgewohnheiten, eingenommene Medikamente und bestehende Grunderkrankungen.
Da bei einer Harninkontinenz auch die Kontrolle über den Stuhl beeinträchtigt sein kann, fragt der*die Arzt*Ärztin zudem nach Häufigkeit und Konsistenz des Stuhlgangs oder ob eine Stuhlinkontinenz vorliegt.
Miktionstagebuch liefert wichtige Daten
Für eine genaue Diagnostik ist das Führen eines Miktionstagebuchs über mehrere Wochen hilfreich. In das Miktionstagebuch tragen Betroffene jeweils die Uhrzeit ein, zu der sie Harndrang verspüren, sie die Toilette zum Wasserlassen aufsuchen oder es zu ungewolltem Harnverlust kommt. Auch ausgeschiedene Harnmengen werden notiert.
Weiterführende Untersuchungen bei Inkontinenz
Auf die Anamnese folgt die körperliche Untersuchung, insbesondere der Beckenregion. Um eine Infektion auszuschließen, wird zudem in der Regel eine Urinprobe auf mögliche Krankheitserreger untersucht. Weitere Untersuchungsmethoden sind:
Ultraschall-Untersuchung (Sonographie), mit der der obere und untere Harntrakt und vor allem die Harnleiter und Nieren kontrolliert werden
Blasendruckmessung (Urodynamik), um die Funktionsweise der Harnblase genauer zu untersuchen
Blasenspiegelung (Zystoskopie), die bei Verdacht auf Harnsteine, Polypen an der Blasenwand oder Tumoren in Betracht kommt
Sowohl die Blasenspiegelung als auch die Urodynamik erfordern eine örtliche Betäubung oder Narkose.
Therapie: Was hilft bei Inkontinenz?
Zur Behandlung kommen je nach Schweregrad und Form der Inkontinenz verschiedene Therapien infrage:
- Spezielle Trainings (Beckenbodentraining, Toilettentraining)
- Medikamente
- Hilfsmittel wie Binden
- Operationen (falls konservative Maßnahmen keine Besserung erzielen)
Spezielle Trainings bei Inkontinenz
Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie bei Inkontinenz ist das Beckenbodentraining. Die Beckenbodenmuskulatur spielt eine zentrale Rolle für die Blasenfunktion und kann mit entsprechenden Übungen gezielt gestärkt werden.
Neben einfachen Übungen für zu Hause, die im Rahmen einer Physiotherapie erlernt werden können, eignet sich für Frauen auch eine Biofeedback-Therapie. Dabei wird ein Sensor in die Vagina eingeführt. Er zeigt die Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur auf einem Monitor an und hilft so, die Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur richtig auszuführen.
Eine weitere Maßnahme, vor allem bei Dranginkontinenz, ist das Blasen- oder Toilettentraining. Ziel ist es, die Intervalle zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Begonnen wird mit kurzen Zeitintervallen, zum Beispiel nur einmal alle zwei Stunden. Gelingt dies, werden die Intervalle schrittweise beispielsweise um jeweils 30 Minuten verlängert, sodass schließlich drei bis vier Stunden ohne Aufsuchen der Toilette möglich sind.
Ausreichend trinken bei Blasentraining
Menschen mit Dranginkontinenz neigen dazu, ihren Flüssigkeitskonsum einzuschränken, um nicht mehr so oft die Toilette aufsuchen zu müssen. Sie erreichen damit aber eher das Gegenteil. Denn zum einen steigt die Infektionsgefahr, da die Blase nicht ausreichend durchgespült wird. Zum anderen verliert die Blase mit der Zeit an Fassungsvermögen, wenn sie dauerhaft nur wenig Flüssigkeit enthält.
Medikamente bei Harninkontinenz
Reicht das Beckenbodentraining allein nicht aus, ist eine zusätzliche medikamentöse Therapie eine Option.
Bei der Belastungsinkontinenz kann der Wirkstoff Duloxetin dazu beitragen, die Häufigkeit des unfreiwilligen Urinverlusts zu reduzieren.
Zur Behandlung der Dranginkontinenz werden Muskarinrezeptorantagonisten eingesetzt. Sie hemmen die Blasenmuskulatur, mit dem Ziel, deren Kapazität zu erhöhen. Um die übermäßige Aktivität der Harnblasenmuskulatur zu dämpfen, besteht die Möglichkeit, Botulinumtoxin A (Botox) zu injizieren. Die Behandlung muss nach sechs Monaten wiederholt werden.
Windeln und weitere Hilfsmittel bei Inkontinenz
Nicht immer lässt sich die Kontrolle über die Urinausscheidung wieder vollständig erlangen. Dann können im Alltag aufsaugende Inkontinenzhilfsmittel wie
- Einlagen,
- Windeln,
- Inkontinenzhosen,
- Inkontinenzslips oder
- Bettschutzeinlagen nützlich sein.
Wichtig ist dabei eine gute Hautpflege, um die Haut zu schützen und Gerüche zu vermeiden.
Operative Maßnahmen bei Inkontinenz
In Einzelfällen, insbesondere bei hohem Leidensdruck durch die Inkontinenz, können operative Eingriffe in Betracht gezogen werden. Am häufigsten wird sowohl bei Männern als auch bei Frauen in einem minimalinvasiven Eingriff ein Bändchen eingesetzt, das die Harnröhre stützt oder verengt.
Bei Defekten der Harnröhrenschließmuskeln kann auch eine Unterspritzung helfen. Dabei werden gelartige Substanzen in die Schleimhaut um die Harnröhre gespritzt, um diese zu verengen.
Tipps zur Vorbeugung von Blasenschwäche
Zur Vorbeugung einer Blasenschwäche werden unter anderem folgende Maßnahmen empfohlen:
- Übergewicht vermeiden
- Körperlich aktiv bleiben
- Gesunde Ernährung und Verzicht auf Rauchen
- Nicht zu häufig Blase entleeren, aber auch nicht zu lange Urin zurückhalten
- Beckenbodentraining
- Prävention von Typ-2-Diabetes
- Ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen
Tabu brechen: Bessere Aufklärung rund um Inkontinenz
Da Inkontinenz ein sehr intimes Thema ist, trauen sich viele Betroffene nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität sind subjektiv und hängen vom Schweregrad der Inkontinenz ab.
In vielen Fällen sind die Auswirkungen jedoch immens: Alltagsaktivitäten, soziale Kontakte und Sexualität leiden oft darunter. Eine bessere Aufklärung über das Thema Harninkontinenz kann zu einer Enttabuisierung und damit zu einer besseren Versorgung der Betroffenen führen.
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