Alice-im-Wunderland-Syndrom: Was steckt dahinter und wie äußert es sich?
Der eigene Kopf wird plötzlich als zu groß empfunden oder die äußere Welt als nicht wirklich erlebt: Diese Symptome sind typisch für das Alice-im-Wunderland-Syndrom. Warum es häufig in Zusammenhang mit Migräne und Epilepsie steht und welche Behandlung infrage kommt.
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Artikelinhalte im Überblick:
Was ist das Alice-im-Wunderland-Syndrom?
Beim seltenen Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS, Wunderlandsyndrom, Alice in wonderland syndrome) ist die eigene Körperwahrnehmung gestört, medizinisch ist deshalb die Rede von einem Depersonalisationssyndrom. Ausgelöst wird es in vielen Fällen durch eine arterielle Mangeldurchblutung des Gehirns (Hirnischämie) im Rahmen einer Migräneattacke.
Benannt wurde das Syndrom nach dem Autor Lewis Carroll, der die Erzählung "Alice im Wunderland" geschrieben hat und selbst Migräne-Patient war. Eine andere Bezeichnung ist Todd-Syndrom, der britische Psychiater John Todd hatte es zuerst beschrieben.
Ursachen für das Alice-im-Wunderland-Syndrom
Das AIWS ist keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr eine Gruppe von Symptomen, die im Rahmen einer anderen Erkrankung entstehen. Man nimmt an, dass funktionelle oder organische Störungen im Gehirn, genauer im Schläfenlappen (Lobus temporalis) vorliegen und die Symptome auslösen. In der Regel sind Kinder betroffen, die Symptome verschwinden oft während der Pubertät wieder. Selten kann das Alice-im-Wunderland-Syndrom auch bei Erwachsenen vorkommen.
Hinter dem Syndrom steckt meist eine der folgenden Grunderkrankungen:
- Migräne mit Aura
- Epilepsie (das Syndrom ist dann Vorbote eines epileptischen Anfalls)
- Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus oder Coxsackie-Virus B1
- Gehirnläsionen (Zerstörung von Gewebe)
- Delirium
- Hohes Fieber
- Schlaganfall
- Gehirntumor
- Schizophrenie
- Depression
Auch der Konsum von psychoaktiven, halluzinogenen Drogen kann das Alice-im-Wunderland-Syndrom verursachen. Der geistige Zustand im Halbschlaf oder beim Aufwachen kann das Auftreten der Beschwerden ebenfalls begünstigen – bei vielen Kindern treten sie nachts während der Einschlafphase auf.
Welche Symptome kennzeichnen das Alice-im-Wunderland-Syndrom?
Charakteristisch für das Syndrom ist, dass Betroffene Dinge sehen, hören oder erleben, die nicht real sind. Die Wahrnehmungsstörungen betreffen oft auch den eigenen Körper, sodass sich der Kopf oder Arme und Beine vergrößert oder verlängert anfühlen. Diese Wahrnehmungen sind verstörend und beängstigend, viele Patient*innen leiden unter dem Gefühl, sprichtwörtlich verrückt zu werden.
Anzeichen für das Syndrom:
Angstzustände und Panikattacken
Körperschemastörungen, infolgedessen wird der Körper als falsch proportioniert empfunden (Makropsie)
Schwierigkeiten, sich hinsichtlich Zeit und Raum zu orientieren
Sehstörungen, bei denen die Umgebung verzerrt wahrgenommen wird (Metamorphopsie)
Störungen des Tastsinnes, veränderte Tastwahrnehmung
Verwirrtheit
Wahrnehmung von akustischen Signalen wie Stimmen oder Musik, die es nicht gibt
Auffällig ist bei Kindern mit Alice-im-Wunderland-Syndrom, dass sich ihr Verhalten sehr verändert: Meistens hören sie auf zu spielen, ziehen sich immer mehr zurück und weisen ein ängstliches, ruhiges Verhalten auf.
Diagnose: Alice-im-Wunderland-Syndrom erkennen
Beobachten Eltern unerklärliche Verhaltensveränderungen ihrer Kinder oder berichten diese über entsprechende Symptome des Syndroms, sollte die kinderärztliche Praxis aufgesucht werden. Auch Erwachsene, die solche Beschwerden erleben und sie sich nicht erklären können, sollten ihre*n Hausärztin*Hausarzt konsultieren.
Im Rahmen der Anamnese werden vorliegende Beschwerden und ihr Schweregrad abgefragt. Auch seit wann und in welchen Situationen die Veränderungen auftreten, ist für die Diagnose wichtig. Anhand der Schilderungen kann sich bereits ein Verdacht auf das Alice-im-Wunderland-Syndrom ergeben.
Um der Ursache des Syndroms auf den Grund zu gehen, werden bei Bedarf körperliche Untersuchungen vorgenommen. Dazu zählt die Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion), Blutuntersuchung, Ultraschall-Untersuchungen, Computertomografie (CCT) oder Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) des Schädels sowie eine Messung der Gehirnströme mit der Elektroenzephalografie (EEG).
Behandlung des Syndroms
Eine gezielte Therapie des Alice-im-Wunderland-Syndroms gibt es bisher nicht. Vielmehr geht es darum, die bestehende Grunderkrankung zu behandeln, wodurch sich meistens auch die Symptome bessern. In stark ausgeprägten Fällen können Ärztinnen*Ärzte kurzzeitig ein geeignetes Beruhigungsmittel (Sedativum) verschreiben. Bei Kindern sollte der Nutzen jedoch sehr sorgfältig abgewogen werden.
Gegen Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus und Coxsackie-Virus B1 gibt es bisher keine wirksamen Medikamente. Ziel der Behandlung ist es dann, die Symptome zu lindern, also zum Beispiel das Fieber zu senken, körperliche Schonung mit Bettruhe bei Bedarf sowie ausreichend Flüssigkeit zuzuführen.
Neurologische Grunderkrankungen medikamentös behandeln
Bei Migräne gibt es verschiedene Tabletten und Medikamente, die eingesetzt werden können. Zum Beispiel:
- Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen und Paracetamol
- Serotoninrezeptoragonisten (Triptane)
- Mutterkornalkaloide wie Ergotamintartrat oder Dihydroergotamin.
Kündigt das Alice-im-Wunderland-Syndrom als Aura einen Migräneanfall an, spielt die medikamentöse Migräneprophylaxe eine große Rolle. Übelkeit im Zusammenhang mit einer Migräneattacke kann mit dem Wirkstoff Domperidon behandelt werden.
Epilepsie wird häufig medikamentös mit Antiepileptika behandelt. Sie wirken jedoch nur symptomatisch und verhindern einen Anfall, heilen können sie die neurologische Krankheit nicht. Die Behandlung eines Schlaganfalls, Gehirntumors und von Läsionen im Gehirn hängen von Ort und Ausprägung des geschädigten Gewebes ab. Für diese Krankheiten erstellen Neurolog*innen individuelle Behandlungspläne. Je nach Schweregrad der Depression oder Schizophrenie können Medikamente eingesetzt werden, um die psychische Krankheit zu lindern. Es gibt zahlreiche synthetische und einige pflanzliche Antidepressiva.
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