ADHS – was ist das und wie behandelt man?
Nach höchsten wissenschaftlichen Standards verfasst und von Expert*innen geprüftKonzentrationsprobleme, ein unbändiger Bewegungsdrang und impulsives Verhalten: In Deutschland sind rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen. Manchmal begleiten die Symptome Menschen bis ins Erwachsenenalter. Was hilft?
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Kurzübersicht: Häufige Fragen und Antworten
Wie äußert sich ADHS? Typisch für ADHS sind vor allem ein übermäßiger Bewegungsdrang (Hyperaktivität), Unaufmerksamkeit und Impulsivität.
Wie denken Menschen mit ADHS? Sie denken oft nicht linear, sondern divergent. Das bedeutet, dass sie häufig über die Grenzen hinaus denken. Das kann hilfreich sein, um kreative und innovative Ideen zu finden.
Ist ADHS heilbar? Die Verhaltensstörung ist nicht vollständig heilbar. Mit einer geeigneten Behandlung können die Symptome jedoch so weit reguliert werden, dass sich betroffene Kinder normal entwickeln können.
Artikelinhalte im Überblick:
- Definition
- ADS und ADHS: Unterschied
- ADHS bei Erwachsenen
- Ursachen: Wie entsteht ADHS?
- Symptome und Test
- Diagnose
- Behandlung
- Verlauf und Prognose
Was ist ADHS?
ADHS ist eine Verhaltensstörung, die häufig in der Kindheit beginnt und sich auf die Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität einer Person auswirkt. Menschen mit ADHS haben beispielsweise oft Schwierigkeiten, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, sind unaufmerksam und können nicht lange still sitzen. Dies kann zu Problemen in der Schule oder später im Berufsleben führen und auch das familiäre Umfeld stark belasten.
In Anlehnung an eine Geschichte aus dem Bilderbuch "Struwwelpeter" (1845) wird ADHS umgangssprachlich oft auch als "Zappelphilipp-Syndrom" bezeichnet.
Häufigkeit
Fachleute schätzen, dass etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ADHS haben. Die Diagnose wird bei Jungen viermal häufiger gestellt als bei Mädchen. Etwa zwei Drittel der Betroffenen behält die Symptome bis ins Erwachsenenalter.
Unterschied zwischen ADS und ADHS
Eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung kann auch ohne nach außen erkennbarer Hyperaktivität auftreten. Dann spricht man von ADS. Kinder mit ADS wirken meist ruhig und stören kaum im Unterricht, sind aber trotzdem nicht bei der Sache. Sie scheinen in ihren Träumen und Gedanken versunken zu sein. Auch sie haben Probleme, sich zu konzentrieren. Daher sollte eine ADS auch ohne Hyperaktivität behandelt werden.
Kinder mit ADHS leiden neben einer gestörten Aufmerksamkeit außerdem unter Unruhe und Hyperaktivität, weshalb sie in ihrem Verhalten meist auffälliger sind als ADS-Betroffene. Nicht selten werden sie als sehr anstrengend und manchmal sogar als aggressiv empfunden.
Bei Erwachsenen bleibt ADHS oft unerkannt
Eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung wird in der Regel im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert. In den meisten Fällen zeigen sich Anzeichen von ADHS mit dem Eintritt in den Kindergarten oder die Grundschule.
Aber auch Erwachsene können unter ADHS leiden. Die Störung bleibt bei etwa 60 bis 70 Prozent der betroffenen Kinder auch im Erwachsenenalter bestehen und ist mittlerweile auch von psychiatrischen Fachgesellschaften anerkannt. Da sich die Störung bei Erwachsenen durch andere Symptome zeigt und Betroffene gelernt haben, mit diesen zu leben, bleibt eine entsprechende Diagnose oft aus.
Lesen Sie hier alles zu ADHS bei Erwachsenen.
Ursachen von ADHS
Eine Aufmerksamkeitsstörung wird nicht durch eine falsche Erziehung verursacht. Sie beruht vielmehr auf einem Zusammenspiel genetischer sowie psychologischer und sozialer Faktoren.
Genetische Einflüsse
Die Hauptursache für die Entstehung von ADHS bei Kindern ist vermutlich eine genetische Veranlagung. Die erbliche Komponente von ADHS steht im Zusammenhang mit einem gestörten Gehirnstoffwechsel. Einzelne Hirnregionen sind bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS weniger aktiv als bei Gesunden und es liegt eine Signalstörung vor.
Konkret besteht in den betroffenen Regionen im Gehirn ein Ungleichgewicht zwischen den Botenstoffen Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Diese spielen unter anderem eine wichtige Rolle für Motivation und Aufmerksamkeit.
Psychosoziale Einflüsse
Die Entwicklung und der Verlauf von ADHS könnte aber auch von äußeren Faktoren beeinflusst werden. Beispielsweise werden der Konsum von Nikotin, Alkohol und/oder Drogen während der Schwangerschaft als Ursachen diskutiert. Zudem könnten Infektionen des Zentralnervensystems, zum Beispiel ausgelöst durch Bakterien, eine Rolle spielen. Möglicherweise haben Komplikationen bei der Geburt, etwa ein Sauerstoffmangel, ebenfalls einen Einfluss.
Darüber hinaus scheinen psychosoziale Faktoren zum Auftreten von ADHS zu führen oder die Verhaltensweisen zu verstärken. Dazu gehören beispielsweise:
- familiäre Probleme, zum Beispiel Scheidung der Eltern
- unzureichende emotionale Zuwendung
- psychische Störungen innerhalb der Familie
- niedriger sozioökonomischer Status
- ständige Reizüberflutung durch TV, Internet oder PC-Spiele
ADHS: Symptome und Test
Ein Kind ist zappelig, mag keine Hausaufgaben und will am liebsten immer aktiv sein? Das bedeutet noch lange nicht, dass es an AD(H)S leidet. Schließlich sind einige Kinder aktiver und hibbeliger als andere. Die Schlussfolgerung "mein Kind hat ADHS" wird häufig zu voreilig gezogen.
Umso wichtiger ist es, die typischen Anzeichen bei ADHS zu kennen und richtig zu reagieren. Zu den Kernsymptomen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, zählen:
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche: Defizite bei der Konzentration beziehungsweise gehäufte Unaufmerksamkeit
Hyperaktivität: Bedürfnis, ständig in Bewegung zu sein; innere Unruhe
Impulsivität: stürmisches und teilweise aggressives Verhalten
Klassische Symptome wie aggressives, hyperaktives Verhalten, das Aufmerksamkeitsdefizit und die Hyperaktivität führen nicht selten dazu, dass ein betroffenes Kind zunehmend in die Rolle eines Außenseiters gerät. Auch die Eltern von ADHS-Kindern stehen unter dem ständigen Druck, alles richtig zu machen und geraten dabei häufig an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Positive Seiten von ADHS
ADHS stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen, kann aber auch positive Seiten haben. Menschen mit ADHS
- sind oft sehr begeisterungsfähig,
- haben eine blühende Phantasie und
- sind ausgesprochen kreativ.
Zudem verfügen ADHS-Betroffene häufig über einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie sind oft besonders offen und empathisch und werden von ihren Mitmenschen für ihre Hilfsbereitschaft geschätzt. Einige Menschen mit ADHS sind auch überaus sensibel und können Stimmungen anderer Personen oft schneller und besser erkennen als andere.
ADHS: Fachärztliche Diagnose
Besteht der Verdacht, dass ein Kind AD(H)S hat, sollte ein Termin in der Kinderarztpraxis oder bei einem*einer Kinder- und Jugendpsycholog*in vereinbart werden. Neben umfassenden Untersuchungen werden meist festgelegte Fragenkataloge zur ADHS-Diagnose herangezogen.
Damit betroffene Kinder und Erwachsene sowie Angehörige ein nahezu normales Leben führen können, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Nur so können geeignete Therapiemaßnahmen schnell eingeleitet werden.
Wird eine Hyperaktivitätsstörung nicht behandelt, droht den Betroffenen sonst mitunter ein Abgleiten in die soziale Ausgrenzung. Zusätzliche gesundheitliche Einschränkungen, etwa durch Depressionen oder Angststörungen, sind keine Seltenheit. Sie treten vor allem bei Erwachsenen mit ADHS auf. Auch der verstärkte Hang zum Drogenkonsum kann laut Fachleuten die Folge einer unzureichend behandelten ADHS-Störung sein.
Fehldiagnose ADHS? Was es noch sein könnte
ADHS ist keine Störung, die man medizinisch eindeutig diagnostizieren oder ausschließen kann. Weil die Symptome in schwach ausgeprägter Form auch bei gesunden Kindern im Rahmen eines normalen Entwicklungsverlaufs auftreten können, wird AD(H)S von einigen Ärzt*innen oft nicht erkannt.
Auf der anderen Seite wird ADHS oft auch fälschlicherweise diagnostiziert. Denn es gibt viele andere mögliche Ursachen für die Symptome. Darunter zum Beispiel:
- schulische Unter- oder Überforderung
- Schlafmangel, Bewegungsmangel, Mangelernährung und/oder Vernachlässigung
- Autismus
- geistige Behinderungen
- Wahrnehmungsstörungen
- Hirnschäden
- Epilepsie
- verschiedene psychische Störungen oder Erkrankungen, etwa Schizophrenie oder Borderline-Persönlichkeitsstörung
Therapie: ADHS nicht nur mit Medikamenten behandeln
In der Regel basiert die Therapie einer ADHS auf einem multimodalen Behandlungskonzept. Dazu gehören unter anderem:
- Psychotherapie (vor allem Verhaltenstherapie)
- professionelles Verhaltenstraining der Eltern beziehungsweise erwachsenen Betroffenen
- Lerntherapie
- die Gabe geeigneter Medikamente, beispielsweise mit den Wirkstoffen Methylphenidat (in Medikinet oder Ritalin) oder Atomoxetin
Doch der Einsatz dieser Wirkstoffe wird seit Jahren kontrovers diskutiert, da unerwünschte Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit oder Desinteresse zusätzlich belasten können. Zudem gibt es bisher noch keine Langzeitstudien zur Wirkung und möglichen Folgeschäden.
Betroffene müssen mit behandelnden Ärzt*innen klären, wie eine individuell angemessene Therapie aussehen kann. Eltern sollten auch mit dem Kind selbst über die einzelnen Bausteine der Therapie sprechen. Die Behandlung von ADHS bedeutet immer, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.
Verlauf und Prognose bei ADHS
Bei etwa der Hälfte der von ADHS betroffenen Kinder verschwinden die Symptome mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter. Der Langzeitverlauf ist aber individuell sehr unterschiedlich. Je stärker die Ausprägungen der Symptome in der Kindheit sind, desto größer ist in der Regel auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese auch noch im erwachsenen Alter zeigen. Fehlender sozialer Halt ist ebenfalls ein Faktor, der die Prognose negativ beeinflussen kann.