Polio (Poliomyelitis): Impfung schützt vor Kinderlähmung
Polio oder Kinderlähmung ist eine hochansteckende meldepflichtige Viruserkrankung, die zu bleibenden Lähmungen und zum Tod führen kann. Aufgrund flächendeckender Impfungen gilt Europa als "poliofrei". Warum die Impfung gegen Poliomyelitis weiterhin wichtig ist.
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Artikelinhalte im Überblick:
Was ist Polio?
Polio (Poliomyelitis) ist eine seltene, aber schwerwiegende Krankheit, die durch eine Infektion mit Viren verursacht wird. In Deutschland wird häufig auch der Begriff Kinderlähmung verwendet – was irreführend ist, da sich Menschen jeden Alters anstecken können.
Polio ist hochansteckend, Infizierte scheiden die Viren mit dem Stuhl aus. Sie übertragen sich überwiegend durch Schmierinfektion, es kommen aber auch andere Übertragungswege infrage: eine Tröpfcheninfektion durch Husten und Niesen sowie verschmutztes Trinkwasser als Infektionsquelle. Die Inkubationszeit (Zeit von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome) für Polio beträgt drei bis 35 Tage.
Polio-Impfung schützt vor Infektion
Bis 1997 erfolgte die Impfung gegen Polio mit einem Lebendimpfstoff zum Schlucken. Ab 1998 wurde die Schluckimpfung in Deutschland durch eine Injektion mit Totimpfstoff (inaktivierter Poliomyelitis-Impfstoff, IPV) abgelöst. Beim Lebendimpfstoff können in seltenen Fällen die Viren bei der geimpften oder einer ungeimpften Kontaktperson eine symptomatische Erkrankung auslösen, die sogenannte vakzineassoziierte Poliomyelitis. Dies geschieht laut Robert Koch-Institut nur bei ein bis zwei Fällen pro einer Million Erstimpfungen. Das ist einer der Gründe für die Entwicklung des Totimpfstoffs.
Wer sollte sich gegen Polio impfen lassen?
Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) vom Robert Koch-Institut lautet: Alle Personen sollten bereits im Säuglings- und Kleinkindalter eine Grundimmunisierung und im Jugendalter eine Auffrischung erhalten. Erwachsenen, die keinen oder nur einen unvollständigen Impfschutz haben, wird empfohlen, die Impfung nachzuholen.
Wie oft und in welchem Abstand wird geimpft?
Auf dem deutschen Markt sind Impfstoffe verschiedener Hersteller erhältlich. Das Impfschema kann sich deshalb unterscheiden, so können zur Grundimmunisierung im Erwachsenenalter zum Beispiel zwei bis drei Dosen im Abstand von vier Wochen bis zu sechs Monaten erforderlich werden. Im Kindesalter wird der Impfstoff meist als Kombinationspräparat in Verbindung mit Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten (Pertussis) verabreicht.
Eine routinemäßige Auffrischung nach dem vollendeten 18. Lebensjahr wird für Menschen, die in Deutschland leben, nicht empfohlen. Liegt die letzte Impfung allerdings mehr als zehn Jahre zurück und möchte man in ein Endemiegebiet einreisen, ist eine Auffrischung der Impfung notwendig. Gleiches gilt für berufliche Tätigkeiten, die mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden sind. Dies gilt etwa für medizinisches Personal, Angestellte im Labor oder in bestimmten Gemeinschaftsunterkünften.
Welche Nebenwirkungen können bei einer Polio-Impfung auftreten?
Die Polio-Impfung gilt generell als gut verträglich. Sollten Allgemeinsymptome auftreten, klingen diese nach wenigen Tagen wieder ab. Bei Kindern sind Impfreaktionen häufiger, doch auch bei ihnen verschwinden sie nach etwa ein bis drei Tagen. Im Zweifelsfall ist die kinderärztliche Praxis zu kontaktieren.
Bei Erwachsenen treten nur äußerst selten Nebenwirkungen auf. Diese können zum Beispiel folgende sein:
- Rötung oder Schwellung an der Einstichstelle
- Schmerzen an der Einstichstelle
- Allergische Reaktionen
- Allgemeinsymptome wie Temperaturerhöhung (Fieber), Frösteln, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Magen-Darm-Beschwerden
Ursachen von Polio
Es gibt drei Arten von Polio-Viren – Typ 1, 2 und 3. Während Typ 2 als Wildvirus (WPV) seit 1999 als ausgerottet gilt, besteht in Risikogebieten weiterhin Ansteckungsgefahr mit den Typen 1 und 3. Mutierte zirkulierende Impfviren (circulating vaccine-derived polioviruses – cVDPV) kann es aber von allen drei Typen geben. Da eine Erkrankung nur von einem Virus-Typ ausgelöst wird, besteht selbst nach einer durchgemachten Infektion kein lebenslanger Schutz gegen die anderen Virustypen. Bei einer Impfung erfolgt die Immunisierung gegen alle drei Typen.
Polio-Gebiete: Hier besteht weiterhin Infektionsrisiko
Deutschland gilt als poliofrei, dank hoher Impfquoten ist laut Robert Koch-Institut (RKI) das Risiko für eine Einschleppung der Erkrankung nach Deutschland eher unwahrscheinlich. Bei Reisen in bestimmte Gebiete sollte man sich jedoch schützen. Das Auswärtige Amt listet die Regionen, in denen aktuell ein potentielles Polio-Infektionsrisiko besteht.
Die WHO hat Länder mit Risiko für eine internationale Ausbreitung dazu aufgefordert, sicherzustellen, dass alle Einwohner und Langzeitbesucher (über vier Wochen) geimpft sein müssen, bevor sie eine internationale Reise antreten. Die Ausreise kann deshalb ohne gültigen Impfnachweis verweigert werden oder es wird eine Impfdosis am Flughafen verabreicht.
Symptome und Verlauf von Polio
Eine Ansteckung macht sich oft nicht bemerkbar, in etwa 95 Prozent der Fälle verläuft sie symptomlos. Nur bei vier bis acht Prozent der Infizierten treten Symptome wie Fieber, Hals- oder Kopfschmerzen auf, die meistens jedoch mit einer Grippe oder Erkältung verwechselt werden und schon nach kurzer Zeit wieder überstanden sein können.
Wenn Polio-Viren allerdings das zentrale Nervensystem angreifen, kommt es zu ausgeprägten Beschwerden: In zwei bis vier Prozent der Fälle zu einer nichtparalytischen Poliomyelitis, bei der Fieber, Nackensteifheit, Rückenschmerzen und Muskelspasmen auftreten. Bei bis zu einem Prozent tritt die sehr seltene, schwerste Form auf – eine paralytische Poliomyelitis. Hierbei kommt es neben schweren Schmerzen auch zu Paresen, also zu unvollständigen Lähmungen. Die spinale Lähmung wird dadurch verursacht, dass die Viren Zellen des Rückenmarks befallen, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind.
Post-Polio-Syndrom
Als Komplikationen der Lähmung kann es zu Muskelschwund, vermindertem Knochenwachstum oder Gelenkzerstörung kommen. Selbst Jahrzehnte nach der Infektion können Beschwerden wieder auftreten – dies wird als sogenanntes Post-Polio-Syndrom bezeichnet.
Das Post-Polio-Syndrom ist eine eigenständige Erkrankung. Nach einer akuten Poliomyelitis mit Lähmungen kommt es erst zu einer teilweisen Besserung. Nach einer langen stabilen Phase über Jahrzehnte hinweg, zeigen sich erneut Beschwerden – zum Beispiel Schmerzen oder schnelle Ermüdbarkeit sowie muskuläre Erschöpfung. Die Ursache hierfür konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.
Betroffene oder Angehörige von Polio-Erkrankten finden beim Bundesverband Poliomyelitis e. V. und bei der Polio Selbsthilfe e. V. viele wichtige Informationen und Hilfen.
Diagnose bei Verdacht auf Polio stellen
Zur Diagnose der Kinderlähmung stehen mehrere Verfahren der Labordiagnostik zur Verfügung. Dabei suchen Ärzt*innen im Blut nach den auslösenden Viren oder nach Antikörpern, die das Immunsystem gegen die Erreger gebildet hat. Im Blutserum lassen sich die Antikörper gegen das Poliovirus auch nach überstandener Infektion nachweisen. Das ermöglicht die Diagnose zu einem späteren Zeitpunkt.
Virennachweis in Rachenabstrich oder Stuhlproben
Der einfachste Nachweis der Polioviren besteht in der Untersuchung von Stuhlproben. Damit lässt sich in den ersten zwei Wochen der Erkrankung die Kinderlähmung zu 80 Prozent diagnostizieren. Zu Beginn der Erkrankung ist der Virusnachweis auch durch die Untersuchung eines Rachenabstrichs oder von Rachenspülwasser möglich. Dazu gurgeln Patient*innen mit Kochsalzlösung und lassen die Flüssigkeit in ein steriles Gefäß laufen.
Liegen Symptome einer nichtparalytischen oder paralytischen Poliomyelitis vor, kann der Erreger auch in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) nachgewiesen werden. Dazu ist eine Lumbalpunktion: Sind bleibende Schäden möglich? notwendig, um das Nervenwasser zu entnehmen.
Behandlung von Polio: Linderung der Beschwerden
Ursächlich ist Polio zum aktuellen Stand der medizinischen Forschung nicht behandelbar und gilt somit als unheilbar. Therapien wie die Gabe von Medikamenten oder die intensivmedizinische Betreuung dienen zur Linderung der Symptome. Physiotherapeutische und orthopädische Maßnahmen werden zur Nachbehandlung der Kinderlähmung durchgeführt.
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