Gehirn: Aufbau und Funktionen
Die Menge an Informationen, die in jedem Moment auf unser Gehirn einströmt, ist unvorstellbar groß. Und doch ist es in der Lage, sie aufzunehmen und sinnvoll zu verarbeiten. Wie bewältigt das Gehirn diese Herkulesaufgabe und wie ist es aufgebaut?
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Das menschliche Gehirn ist cremefarben, faltig und hat eine ähnliche Konsistenz wie ein weich gekochtes Ei. Zu 70 Prozent aus Wasser bestehend, wiegt das Gehirn von Frauen zirka 1,25 Kilogramm, von Männern etwa 1,4 Kilogramm. Sein Anteil am Körpergewicht fällt mit durchschnittlich lediglich zwei Prozent relativ gering aus gemessen an seiner Bedeutung: Das Gehirn ist die Schaltzentrale unseres Körpers. Rund 100 Milliarden miteinander vernetzter Nervenzellen (Neuronen) erledigen vielfältige Aufgaben und Funktionen. Trotz seines geringen Anteils am Körpergewicht verbraucht das Gehirn dabei immense 25 Prozent der aus dem Stoffwechsel gewonnenen Energie.
Anatomischer Aufbau des Gehirns:
Endhirn (Telenzephalon) – dazu gehören Großhirn, Hirnventrikel, Basalganglien, Riechhirn, Balken
Zwischenhirn (Dienzephalon) – dazu gehören Zirbeldrüse, Thalamus, Hypothalamus, Teile der Hirnanhangdrüse (Hypophyse)
Mittelhirn (Mesenzephalon)
Hinterhirn (Metenzephalon) – dazu gehören Kleinhirn und Brücke
Nachhirn (Myelenzephalon) – das sogenannte verlängerte Mark, das in das Rückenmark übergeht
Endhirn und Zwischenhirn bilden das Vorderhirn, Mittel-, Hinter- und Nachhirn werden zum Hirnstamm zusammengefasst. Hirnstamm und Zwischenhirn werden im nicht-klinischen Sprachgebrauch auch als Stammhirn bezeichnet.
Synapsen als Übermittler von Information
Zusammen mit dem Rückenmark bildet das Gehirn das Zentralnervensystem (ZNS) des menschlichen Organismus. Seine volle Leistungsfähigkeit erreicht das Gehirn durch neuronale Netzwerke, die die einzelnen Hirnregionen miteinander verbinden und je nach Anforderung flexibel "zusammenarbeiten". Erst dieser Austausch ermöglicht es, die unterschiedlichsten Aufgaben zu bewältigen und stets neue Informationen aufzunehmen, zu bewerten und zu verarbeiten.
Neuronale Netze formieren sich über Kontaktstellen, Knoten die auch Synapsen genannt werden, ständig neu. Mithilfe von 100 Billionen solcher Synapsen kommunizieren im Gehirn 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) miteinander. Das befähigt das Gehirn, sich stets auf neue Situationen und Anforderungen einzustellen.
Mensch besitzt quasi drei Gehirne
Das menschliche Gehirn besteht aus drei wichtigen Funktionseinheiten, quasi drei einzelnen Gehirnen:
Reptilienhirn
Das Reptiliengehirn (oder Hirnstamm) ist evolutionsgeschichtlich der älteste Teil unseres Gehirns. Folgerichtig ist es der Sitz sehr alter (archaischer) Verhaltensweisen, die der Selbst- und Arterhaltung dienen. Hier werden die Instinkte, Reflexe und Triebe produziert. Es überwacht grundlegende Funktionen, die unser Überleben sichern.
So sorgt das Reptiliengehirn beispielsweise dafür, dass wir regelmäßig atmen und reflexartig husten, wenn wir eine Fischgräte verschlucken. Wenn der Organismus Nahrung braucht, wird von hier aus angestoßen, dass wir Hunger bekommen und essen. Bei Gefahr reagieren wir – gesteuert durch das Reptiliengehirn – instinktiv. So schließen wir zum Beispiel die Augen bei zu hellem Licht oder wenn ein Insekt auf uns zufliegt.
Limbisches System
Das Limbische System ist unser emotionales Zentrum. Zu ihm gehören anatomisch mitunter weit voneinander entfernte Teile des Groß-, Zwischen- und Mittelhirns – darunter auch der Thalamus, das sogenannte "Tor zum Bewusstsein", der als Schaltstelle Erregungen aus den Sinnesorganen an das Großhirn weiterleitet. Für das Gedächtnis hat das Limbische System eine entscheidende Bedeutung: Hier werden zunächst alle eingehenden Informationen emotional bewertet. Dann wird entschieden, welche davon im Gedächtnis gespeichert werden.
So werden zum Beispiel gefährliche, ungefährliche, angenehme, unangenehme, erfreuliche oder unerfreuliche Reize erfasst und mit einer anderen Aktivierung weitergeleitet als emotionsarme Reize. Dies macht sich mitunter recht deutlich bemerkbar, wenn wir aus nur einer einzigen Erfahrung heraus im Kindesalter lernen, dass der Herd heiß sein kann.
Großhirn
Eine herausragende Rolle spielt das Großhirn. Es ist unentbehrlich für alle höheren Prozesse wie Denken, Lernen und Sprechen. Das Großhirn macht 80 Prozent des Volumens im Gehirn aus und ist, evolutionsgeschichtlich betrachtet, neben dem Kleinhirn eine der jüngeren Hirnregionen. Hier sitzen Wahrnehmung und Bewusstsein, Denken, Fühlen und Handeln mit all ihrer Komplexität – und mit der Fähigkeit, Informationen ständig neu aufzunehmen, zu bewerten und in Handlungen umzusetzen.
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Das Großhirn besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte, den sogenannten Hemisphären. Umschlossen wird das Großhirn von der Großhirnrinde (Cortex), einer zwei bis vier Millimeter dicken, gefalteten Schicht, die vor allem aus Nervenzellen besteht. Der Farbe des Cortex verdankt das Gehirn die oft synonym verwendete Bezeichnung "graue Zellen". Auf der Großhirnrinde befinden sich spezielle Zentren, die sogenannten Hirnareale. Dazu gehören zum Beispiel das
- Sprachzentrum
- Broca-Areal: Produktion von Sprache
- Wernicke-Areal: Verstehen von Sprache
- Hörzentrum
- Sehzentrum
Am Prozess der Informationsverarbeitung immer beteiligt ist der präfrontale Cortex, ein Teil des Frontallappens der Großhirnrinde. Hier ist der Arbeitsspeicher lokalisiert, die Zentrale für Informationsmanagement. Es werden alle eingehenden Informationen bewertet, mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft, ins Gedächtnis eingespeichert oder wieder gelöscht. Ein Bündel Nervenfasern, Balken genannt, verbindet rechte und linke Gehirnälfte. Über ihn tauschen sich die Hemisphären per Nervenerregungen aus.
Aufgaben der linken und rechten Gehirnhälfte
Dennoch sind die beiden Gehirnhälften primär für jeweils unterschiedliche Funktionen zuständig. So steuert bei Rechtshändern überwiegend die linke Hemisphäre alle sprachlichen Funktionen. Hier finden auch das Rechnen und logische Denken statt. Die rechte Hemisphäre ist dagegen primär zuständig für die Verarbeitung von Bildern, Musik und räumlichem Denken. Bei Menschen, deren rechte Hemisphäre die sprachdominante ist, sind die Funktionen jeweils spiegelbildlich vertauscht.
Entscheidend dafür, ob eine Funktion von der rechten oder der linken Hemisphäre übernommen wird, hängt davon ab, nach welchem Muster die zugehörigen Informationen im Gehirn verarbeitet werden müssen. Die Art der Informationsverarbeitung in beiden Gehirnhälften unterscheidet sich nämlich grundlegend: Die sprachdominante Hemisphäre verarbeitet Informationen sequentiell, das heißt nacheinander und in einer bestimmten Reihenfolge. Das ist beim Sprechen, Lesen und Schreiben ebenso wie beim Rechnen. Auch beim logischen Denken folgt ein Schritt nach dem anderen. Diese bewussten Vorgänge im Gehirn lösen positive Gefühle in uns aus. Optimismus und Hoffnung werden daher auch der sprachdominanten Hemisphäre zugeordnet.
Im Gegensatz dazu verarbeitet die nicht sprachdominante Hemisphäre im Gehirn die Informationen parallel: Nahezu gleichzeitig können wir Bilder, Musik und Dinge, die uns umgeben, wahrnehmen. Wir können gleichzeitig Gesichter erkennen und Wahrnehmungen unseres Körpers fühlen. Diese Informationen bedürfen keiner bestimmten Ordnung.
Gehirn und Geist: mentale Fitness bewusst unterstützen
Wir können unsere mentale Gesundheit gezielt fördern, indem wir unsere sprachdominante Gehirnhälfte nutzen: miteinander zu kommunizieren, mal wieder im Kopf zu rechnen oder uns etwa mit Gehirnjogging im logischen Denken zu üben, versetzt uns nicht nur in eine positive Stimmung, sondern bringt vor allem den Arbeitsspeicher und die Verarbeitung von Informationen auf Trab. Und das verbessert insgesamt unsere geistige Leistungsfähigkeit.
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